NL Rück, I, C-0570d

"Sehr geehrte Frau Marx! 

Ich bestätige vor allem Ihre beiden Briefe vom 5. und vom 7. August, Sie um Entschuldigung bittend, dass ich Ihnen erst heute antworten kann. 

Ihr Anliegen besprach ich mit meinem Bruder und Sie mögen überzeugt sein, dass ich wie auch er es reiflich nach allen Seiten hin durchdachten, nicht nur kurz und einmalig, sondern wir überlegten tagelang, was wir Ihnen raten sollen. 

Und dabei kommen wir zu dem Ergebnis, dass es nach unserer Ansicht doch richtiger ist, wenn Sie mit Ihrem Manne und Frau Steinert mit ihrem Mann diese Sache besprechen. 

Die Rechtslage ist folgende: die Ehefrau soll keine finanziellen Verbindlichkeiten eingehen, die nicht in ihre Schlüsselgewalt – wie der juristische Ausdruck heisst – fallen. Zu solchen aber gehört bestimmt die Aufnahme eines Darlehens mit monatlicher Rückzahlungsverpflichtung. Ein solches kann doch wohl nur dem Ehemanne gewährt werden. 

Wenn Sie Beide ohne Wissen der Ehemänner ein Darlehen aufnehmen, setzen Sie sich unter Umständen Unannehmlichkeiten aus, die Sie sicher vermeiden können, wenn Sie Beide Ihrer Männer Zustimmung einholen.

Bei den freundschaftlichen Beziehungen, die wir seit Jahren mit Ihrem lieben Manne unterhalten, möchten wir offen gestanden nicht ohne sein Wissen und seine Einwilligung in dieser Sache etwas unternehmen, schon um nicht Gefahr zu laufen, seine uns so überaus wertvolle Freundschaft etwa dadurch zu verlieren. Sie haben ja ganz richtig auch selbst diesem Gedanken brieflich Ausdruck gegeben. 

Bitte besprechen Sie die Angelegenheit also in diesem Sinne auch mit Frau Steinert, an die wir diesen Brief Ihrem Wunsch gemäss richten. 

Seien Sie überzeugt, dass wir mit diesem Rat glauben, Ihr Bestes zu wollen. Eine offene Aussprache mit Ihren Ehegatten ist doch bestimmt einem viele Monate dauernden Zustand vorzuziehen, bei dem Sie Beide ständig in Sorge sein müssten, dass die Ehemänner Kenntnis erhalten könnten von Abmachungen, die hinter ihrem Rücken getroffen wurden. 

Ihre freundliche Rückfrage nach unserem Befinden können wir Gottlob dahin beantworten, dass wir uns wohlauf befinden. Nur haben wir gegenwärtig enorm viel Arbeit im Geschäfte, da wir die Jahresabschlussbilanz endlich machen müssen für 1936, die schon vor Monaten hätte gemacht werden sollen, die wir aber wegen der Arbeiten an den Salzburger Flügeln solange zurückstellen mussten. Ausserdem wollen wir vor der bevorstehenden Abreise in den Urlaub – der heuer dringend ersehnen – noch in den nächste Woche fertig werdenden neuen Musemsraum die grossen Stücke hineinstellen, während wir für die kleinen Stücke an die spätere Mitarbeit Ihres Herrn Gemahls soeben appellierten. 

Mit deutschem Gruss an Sie und Frau Steinert // Ihre ergebenen Brüder".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1937,08,14
Schreibort
Nürnberg
erwähnte Personen