NL Rück, I, C-0570h

"Lieber Herr Marx!

Freundlichen Dank für Ihre lieben Zeilen vom 2.d.M.. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie den Rechen geflickt haben. Der Birnbaum ist allerdings schon bestellt, aber wenn er kommt, behalten Sie ihn ruhig, den kann man ja wieder zu etwas anderem verwenden.

Nun zu den Federn. Der Entschluss ist schwierig, nachdem von den alten originalen Federn offensichtlich nichts mehr vorhanden ist als wie Federkiele, die bestimmt nicht original sind.

Ich las nun die alte Korrespondenz mit Hartmann-Berlin nach. Berlin hat ja sehr viele Niederländische Instrumente: sie stammen aus der alten Sammlung Snoeck und zwar sind darin enthalten 14 Cembali, 2 Clavicytheriums, 1 Spinett, 3 Spinettinos und 1 Querflügel. Also ein sehr reichliches Material. Hartmann schrieb mir unterm 15. August 39 folgendes:
"Über Dockenfedern ist mir bekannt, dass alle Italiener und frühen Niederländer Instrumente selbstgehämmerte Messingblattfedern hatten. Alle späteren Niederländer sowie deutsche, französische und englische Schweinsborsten, nicht aber Kiele, als Federn. Federn aus Kielen habe ich nur als Ersatz für Messingfedern gefunden. Aber Federn aus Schilfrohr, die echt und nicht ersetzt sind, habe ich hier."

Nach diesen Ausführungen und nachdem es sich um ein frühes niederländer Instrument zweifelsfrei handelt, wären eigentlich Messingfedern dann das gegebene, wenn an den alten Docken keine Spuren davon zu finden sind, dass Schweinsborsten darinnen waren, also die Bohrlöcher, wo die Schweinsborsten sassen. Wenn alle alten Docken Schweinsborstenbohrlöcher haben, hatte es Schweinsborsten. Wenn aber nur vereinzelt Bohrlöcher sind, hatte es Messingfedern. So waren nach meiner allerdings unmassgeblichen Meinung der Entscheid zu fällen.

Ob natürlich meine heutigen Ausführungen an Hand der Docken stichhaltig sind, kann ich von hier aus nicht beurteilen und überlasse deshalb den endgültigen Entscheid Ihrem sachverständigen Ermessen. Sie werden das schon richtig machen.

Gerne höre ich aber von Ihnen gelegentlich, welche Erfahrungen Sie mit dem neuen Messingblech machten und welche Nummer ich für hier bestellen darf.

Die Stimmnägel möchte ich natürlich, wenn es einigermassen geht, wieder verwenden, nachdem es sich um eine ausserordentliche Seltenheit handelt. Wenn sie aber total eingerostet sind, wird es mit dem Wiederverwenden seine Haken haben: dann werden doch wohl neue in Frage kommen müssen. Geben Sie dann bitte mir darüber Bescheid, damit ich sie noch vor meiner Abreise bei Braun bestellen kann. Geeignetes Eisen haben wir hoffentlich hier oder können es bekommen.

Dadurch, dass das Instrument jahrhundertelang auf einem Boden in Italien in einem Schloss stand, ist natürlich alles eingerostet, umsomehr die Luft in der Nähe Venedigs enorm feucht ist.

Ich bin froh, dass wir genügend Hammerleder kauften. Räubern Sie, nur nochmals bei dem guten Jahr; was Sie an gutem Hammerleder bekommen können, kaufen wir alles zusammen. Denn ich fürchte, dass Hammerleder in einigen Jahren mit Gold aufgewogen wird.

Freundlichen Dank für Ihre Liquidation, deren Betrag heute mit Postanweisung von meiner Firma an Sie abgeht. Als kleine Gegengabe dazu lasse ich in den nächsten Tagen ein Lebkuchenpaketchen an Sie folgen.

Die Sammlungsaufnahme geht hoffentlich morgen zu Ende, es war eine Riesenarbeit, unso mehr ich fortgesetzt durch Besuche gestört wurde. Aber es musste einmal gemacht werden. Dabei ist noch lange nicht alles richtig in Ordnung. Z.B. die Flöten allein würden eine Woche dabei bedingen, wenn man sie einmal richtig aufnimmt.

Damit glaube ich, alles Wesentliche Ihres lieben Briefes beantwortet zu haben.
Seien Sie herzlichst gegrüsst // von Ihrem".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,10,04
Schreibort
Nürnberg