NL Rück, I, C-0570h

"Lieber Herr Marx!

Vielen lieben Dank für Ihre frdl. Zeilen. Natürlich lassen Sie sich Zeit und kommen, wenn es Ihnen beliebt. Der Petrus hat allerdings z.Zt. ein freundliches Gesicht, so dass ich mir fast Vorwürfe mache, Sie weg zu ziehen. Aber ich will Sie auch hier gar nicht auf eine bestimmte Zeit binden. Denn Sie sollen an sich auch denken. Nun ist allerdings momentan die Situation insofern günstig, als wir viel Platz in beiden Werkstätten haben, denn nur 1 Techniker und Kellner arbeiten, und der 1 Techniker ist die ganze Woche auf Stimmungen. So dass wir Platz zum Ausdehnen in Fülle haben. Käser kommt erst über 14 Tage zurück aus seinem 14täg. Urlaub. Zudem ist der Graf-Schubert-Flügel unterwegs und könnte auch nächste Woche hier sein: dann könnten wir besprechen, was für Holz wir dazu später brauchen. Das muss ja erst in Liegnitz zugeschnitten und getrocknet werden, so dass wir bis zum Herbst etwa das Holz hier haben könnten. Insofern wäre mir natürlich Ihr lieber Besuch gerade jetzt willkommen. Weil wir da vieles wenigstens vorbereiten können für später, bezw. durchsprechen. Ich habe auch Zeit, weil saure Gurkenzeit ist. Deshalb ists mir eine besondere Gefälligkeit, wenn Sie, wenn auch nur für kurze Zeit kommen. Das Markneukirchen machen Sie auf dem Herweg in Ruhe und übernachten dort, können auch gerne einen Ausflug nach Bad Elster oder ins Erzgebirge mit verbinden. Ich bin ja täglich hier. Ihre Ankunft melden Sie mir bitte telegrafisch oder lassen mich von Zimmermann aus anrufen. Ich fand noch beiliegende Karte von Becker wegen der Gitarren.

Da waren Sie ja sehr fleissig schon an der Tastatur! Die lustig aussah. Ich hoffe in Bälde die Elfenbeineinlagen zu haben, dann gehts in Fürth bei Bauer schnell mit den Halbtonbelägen. Die Federkiele denke ich wurden ähnlich wie Horn über Wasserdampf oder in heissem Wasser gebogen. Ich erkundige mich bei Hartmann, welche Federn das Berliner Stück, das auch niederländisch ist, hat.

Staunen Sie: seit acht Tagen spiele ich Klavier nach Noten mit beiden Händen, die linke macht zusehends Fortschritte von Woche zu Woche. Wenns auch mit dem Fingereinbiegen noch nicht richtig ist, so hat doch der Arm sich wesentlich gebessert und macht alle Drehbewegungen wieder. Mein alter Prof. Wagner-Jauregg hat halt doch recht gehabt in allem.

Der Professor Schultz wies an mich einen Hr. Max Wesck aus Grimma, der einen alten Mahagoniflügel hat von Florschütz, Berlin. Sollte Ihnen die Zeit für einen Ausflug dorthin reichen und Sie Lust haben, sehen und hören Sie sich ihn gelegentlich an, eilt aber keineswegs, hat Zeit bis Sie wieder zurück sind, nachdem sichs zudem um einen unbekannten Instrumentenmacher handelt.

Wir freuen uns sehr auf ein Wiedersehen und inzwischen aller herzlichste Grüsse von // Ihrem getreuen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,08,04