NL Rück, I, C-0570h

"Lieber Herr Marx!

Inliegend finden Sie ein anderes Messingblech mit feinerer Legierung, das Braun inzwischen auftrieb und das für Karneval-Schmuckfolien verwendet wird. Es federt besser und Braun meint, dieses könnte das Richtige sein. Ich habe es jedenfalls gekauft und sende es Ihnen, da ich annehme, dass Sie es vielleicht bei dem Clavizytherium gut gebrauchen können.

Hier ist es saukalt und Regen, in Leipzig sicher auch. Da steigt mir der Gedanke auf, wie es wäre, wenn Sie jetzt während der saukalten Zeit, wo Sie sowieso nicht im Freien baden und spazieren gehen können, Lust hätten, zu mir zu kommen? Das soll kein Muss sein, was Sie ja bei unseren langjährigen freundschaftlichen Beziehungen sowieso wissen. Es ist nur eine Anfrage und Anregung.

Wird es dann warm, steht es Ihnen natürlich frei, sofort wieder abzureisen. Aber wir könnten vielleicht allerhand Nützliches inzwischen besprechen und schaffen. Vielleicht könnten wir das Cembalone in Angriff nehmen oder den Stein-Flügel. Arbeit gibt es ja immer.

Vielleicht überlegen Sie sich es und wenn es Ihnen Recht ist, würde ich Sie bitten, mir zu depeschieren mit Brieftelegramm, wann Sie kommen wollen. Ob Samstag, Sonntag oder Montag. Ich würde Ihnen unmassgeblich raten, wenn es geht Personenzüge zu benutzen, denn die Schnellzüge sind masslos voll und für Ihr Knie ist es nichts, solange zu stehen. Fahren Sie auch bitte 2. Klasse. Dort müssen Sie im Personenzug sicher Platz bekommen, wenden Sie sich an den Schaffner, der Ihnen dann mit Ihrer 2.Klasse-Karte einen Platz beschafft.

Nun könnte damit etwas verbunden werden. Zimmermann-Markneukirchen bot mir ein Clavichord It. Beilage an. Es ist im Wiener Empirestil gehalten, also ein spätes Clavichord. Man will vorerst nur RM 1000.-- ein ganz gesunder Preis! Dem Äusseren nach scheint mir aber trotzdem das Ding wert zu sein, es anzusehen. Darum bäte ich Sie wenn Sie meinem Vorschlag zustimmen, auf dem Hinweg über Markneukirchen zu fahren zu Zimmermann in Firma Zimmermann & Co., Komm. Ges., und dort

das Instrument zu besichtigen. Es kann auch sein, dass es ausserhalb Markneukirchen steht. Lassen Sie sich Zeit. In Markneukirchen selbst wohnen Sie am besten in der "Post".

Ferner bot mir der frühere Prokurist Zimmermanns, ein gewisser Karl Becker, französische Gitarren an, von denen man allerdings 10 Stück auf einmal angeblich kaufen müsste! Nun, die werden es auch billiger geben! Becker verrät nicht, wo die Gitarren liegen, will sich aber ebenfalls lt. beiliegender Korrespondenz welche kommen lassen zur Ansicht. Die könnten Sie auch gleich mit besichtigen. Sie dürfen dann natürlich dem Zimmermann nichts davon sagen, dass Sie zu Becker gehen.

Weiter bäte ich Sie, bei Zimmermann eine Gambe anzusehen von Golde in Hamburg, für die er RM 1800.- will und für die ich einen Liebhaber hätte, der mir aber bisher keine Antwort gab. Wenn Sie schon dort sind, besichtigen Sie auch gleich die Gambe. Sollte sonst Zimmermann etwas für uns Geeignetes haben, bitte ich Sie Ansichtssendung an mich zu veranlassen.

Ich nehme an, dass Sie Geld gebrauchen können. Ich sende Ihnen deshalb heute eine Postanweisung über RM 100.-- à conto Ihrer Arbeiten im Juli von meinem Privatkonto 1510. Eine weitere Postanweisung über RM 70.-- à conto der Reise. Wenn Sie letztere jetzt nicht antreten, d.h. wenn Sie nicht kommen wollen, legen Sie die RM 70.-- zurück, bis Sie im Oktober kommen. Ich wiederhole: es ist nur eine Anregung von mir in Anbetracht des hundsmiserablen Wetters.

Wenn Sie in Markneukirchen sind, recherchieren Sie bitte gleich nach den Elfenbein-Adern und Elfenbeinkreisen für die Halbtöne des Clavicytheriums. Diese möchte ich möglichst bald haben. Zimmermann wollte sie besorgen.

Heute erhielt ich Rechnung von Zacharias, er hat prompt die Elfenbeinbeläge für Sie besorgt. Jahn ist halt doch ein feiner Kerl.

Ich hatte einige Tage Darmstörungen, heute geht es wieder halbwegs.

Inzwischen mit vielen herzlichen Grüssen // Ihr".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,08,01
Schreibort
Nürnberg