Georg Kinsky schickt Ulrich Rück seine Anmerkungen zu den angebotenen Musikinstrumenten der Sammlung Heinrich Schumacher, Luzern. Er hat auf Rücks Aufstellung entsprechende Annotationen eingetragen. Die verlangten Preise sind nach Kinskys Erfahrung und Gefühl "um das Doppelte zu hoch angesetzt; sie sind wohl auch mehr als Schätzungs- denn als Verkaufspreise aufzufassen." Da Schumacher seit dem Tod seines Vaters die Instrumente nicht verkaufen konnte, dürfte ihm nach Kinskys Auffassung bewusst geworden sein, dass er die Preise ermäßigen muss. "Dazu kommt, dass die öffentlichen Museen nur geringe Mittel zu Ankäufen haben und genügend gleiches oder ähnliches Material bereits besitzen, und ferner, dass Privatsammler auf diesem Gebiete nur dünn gesät sind." Rät Rück, "auf häufiger vorkommende Blasinstrumente neueren Ursprungs (Posthörner, Fagotte usw.) lieber ganz zu verzichten."
Kinsky ist bei der Entzifferung der Inschriften des Cembalos (MIR1078) gerne behilflich, erbittet die Zusendung des Materials. Freut sich, dass Otto Marx künftig für die Sammlung Rück tätig sein wird. "Mit seinen Arbeiten werden Sie bestimmt zufrieden sein." Da Kinsky nunmehr freiberuflich tätig ist, nimmt er Rücks Anerbieten einer Bezahlung seiner Dienste gerne an und erbittet Überweisung von 25 RM auf sein Postscheckkonto.
Unten handschriftlich Firma Wilhelm Rück: "Mk. 25,- dch. Zahlkarte am 25.II.30 übersandt."
Auf fünf beiliegenden Seiten sind folgende in Aussicht genommenen Instrumente der Sammlung Schumacher aufgeführt:
Sechs Trumscheite [recte: Tromba marina], davon drei mit Aliquotsaiten und aufwendiger Bemalung. Welche Objekte Rück daraus erwarb, ist bislang unklar.
Nr. 205, Musettenbass von Hirsbrunner, Summiswald (MIR400).
Kinsky: "Zeit: 2. Hälfte 18. Jhdt. (ca. 1780). Musettenbaß (oder Basset-Oboe), hauptsächlich in der Schweiz verbreitet, eine Baß-Schalmei von auffällig weiter Bohrung. Vertreter in Basel (hist. Mus.), Bern (do, 4 Stck. sign. I I R.), Leipzig (Heyer), München, Zürich usw. Als Reparateur zu empfehlen: Wilhelm Heckel in Wiesbaden-Biebrich.
Nr. 92, Angebliche Schalmei mit 7 Grifflöchern."
Kinsky: "do. [= Reparateur Heckel]. Hirtenschalmei, anscheinend aus einem Stück gebohrt. Instr. ist fertig bis auf das fehlende "Rohr" (Doppelrohrblatt à la Oboe)."
Zink, helles Naturholz.
Kinsky: "Ist fertig (Stiller Zink, Cornetto muto, mit eingedrehtem kesselförmigem Mundstück). Kopie (ziemlich wertloses Demonstrationsstück)."
Blechinstrumente mit schneckenförmigen Windungen (Hupe?).
Kinsky: "Anscheinend eine Signalhupe älterer Bauart, die als Sammlungsstück kaum in Betracht kommt!"
"Eine Böhm-Flöte im Euti". Sammlung Rück besitzt keine alte Böhm-Flöte.
Kinsky: "Moderne Boehm-Flöte (mit H-Fuß) von Osk. Oehler, Berlin. Für Sammelzwecke nur zur Veranschaulichung des Boehm'schen Ringklappensystems geeignet. Wert: 30-40 Mk."
Guitarre, lautenförmiger Corpus.
Kinsky: "Kleine ital. Laute mit Gitarre-Wirbelbrett und 4 chörigem Bezug (Doppelsaiten). Arbeit ziemlich handwerksmäßig, Rose defekt. Kein gutes Stück, Ankauf nicht empfehlenswert!"
Angebliche Colaszione.
Kinsky: sog. Mezzo-Colascione (Colasciontino), vgl. Heyer Nr. 531 (Kat. II S. 125). Bezug: 3 Einzelsaiten. Nicht häufig vorkommend. Instr. von ziemlich roher Arbeit (Volksinstrument!); Ankaufswert höchstens 50 M.
"Ein Holz-Blasinstrument, offenbar Rekonstruktion eines alten Instruments".
Kinsky: "mit Elfenbein-Mundstück ist ein sogt. Flageolet, ein moderner Abkömmling der alten Schnabelflöten und besonders in Frankreich, England und Belgien verbreitet. Modernes Stück (ohne Marke). Wert: ca. 30-40 Mk.
Das andere, konisch verlaufende Instrument (ohne sichtbares Mundstück) ist eine moderne Rekonstruktion der alten Zinken (Stiller Zink, Cornetto muto; s: das 3. Instrument auf der Vorderseite des Blattes); zur bequemeren Erreichung der Halbtöne mit einigen Klappen ausgestattet. Vielleicht belgisches Fabrikat (von Mahillon et Cie, Brussel); gut gearbeitet. Selten! (War in der Heyer-Sammlung nicht vertreten. Etwa für eine stilechte Aufführung von Glucks 'Orfeo ed Euridice' geeignet. Wert: ca. 50-60 M."
"Eine Nr. 210 grün Oboe". Signatur kann Rück nicht entziffern.
Kinsky: "Brandmarke 'N Cosins F[ecit]' Zeit: etwa Mitte 18. Jhdts. Mit (offener) c- und doppelter dis/fis-Klappe (für links- oder rechtshändiges Spiel, je nachdem der Bläser die linke oder rechte Hand unten hielt.) Mit doppeltem 3. u. 4. Griffloch und breiten messingnen Schutzringen (selten vorkommend). Gut gearbeitetes Stück!
Teile zum zweimanualigen Kielflügel: Ein Vorsatzbrett des Kastens, 1 Springerleiste, ein oberes Manual. Auf der Springerleiste mit roten Pfeilen zwei Signaturen angezeichnet."
Die Aufstellung dieser Musikinstrument entspricht den Notizen auf einer undatierten Postkarte von Rücks Verwandten Marie und Georgine.