"Lieber Herr Professor Steglich!

Vor allem herzlich Dank für Ihren l. Brief, den mir Fleischer gleich übergab. Das rechte Auge hat leider eine bisher schwache Alters-Glaskörpertrübung, gegen die wenig zu machen ist. Die bald vollendeten 63 lügen halt leider nicht! Und die jetzt im 5ten Monat 'arbeitende' Darmneurose auch nicht: es ist eine gewisse Besserung zweifellos vorhanden, aber es geht diese sehr langsam voran und sie wird immer wieder von tageweise andauernden Rückfällen beeinträchtigt. Bingold gibt sich alle Mühe, und so habe ich vorerst noch die Zuziehung eines Nervenmenschen zurückgestellt, bis in 2 Wochen eine neue Konferenz mit Bingold weiteres klärt. Und ich sehe, was in den kommenden 2 Wochen sich an Besserung tut: Das Gewicht hat sich um 1,3 kg gebessert, hinkt aber halt immer noch um bald 20 Kg nach: diese werden nicht so rasch eingeholt werden. - Nun eine erfreuliche Nachricht: der originale Jean André Stein von 1788 [MIR1097] und der Carl Stein [MIR1120] von 1840, sowie das Verona-Spinett von 1568 [MIR1082] haben sich gefunden, sie waren in Neunhof bei Eschenau und entgingen wie durch ein Wunder der sonst barbarischen Zerstörung von altem Kunstbesitz durch amerikanische Truppen: für die sogar die Amerikaner selbst dem Baron Welser Entschädigung in Geld anboten. Aber mit Geld sind eben alte wertvolle Bilder, denen mit Zigaretten die Augen ausgebrannt wurden, nicht zu ersetzen. So wenig man Monte Cassino damit aufbaut! Es fehlt noch: 2 Nähkastenklaviere und allerhand Kleininstrumente wie mein Tafelsilber. Aber ob man grad dieses je noch in meinem Speisezimmer benötigen wird, erscheint mir immer unwahrscheinlicher. Jetzt baut Haid im Garten 27 ein--Behelfsheim mit ganzen 25 qm Grundfläche auf: Fundament ist fertig, kommende Woche soll es geholt werden. Das gibt dann: 10 qm Büro und 15 qm Notwerkstatt. Früher hatten wir 1000 qm: heute bereits 25 qm!! Und was diese kosten! Mir graut vor den Kosten. Für Jahnstr. 27 - leider nur part und I. Stock mit Notdach, also Pfusch- macht Siegel derzeit den Plan. Ob und wann er genehmigt wird weiss niemand. Das soll das nächste Bauvorhaben werden. Dann als drittes eine Baracke in den Garten, wo Kithils Werkstatt stand, deren gedachte Grösse von über 100 qm ich nicht gutheisse und nicht genehmige: ich will in den mir noch beschiedenen Jahren nicht mehr nur auf Baracken und Ruinen schauen, sondern auch noch ein Stück Garten für mich haben! Bis zu 50 qm genehmige ich, mehr aber nicht. Lieber stellen wir eine 2te Baracke in die Ruine Tafelfeldstr. 22, die man uns 'verbessert' hat, indem man uns den Bauschutt gegenüberliegender Häuser auch noch hineinschmiss: als drauf los, wenn nur die Strassen sauber sind: das erscheint derzeit das Wichtigste. Auf dem Hausbesitz rumzutreten war von je oberste Staatsmaxime und dabei hats offenbar auch jetzt sein Bewenden. So ist diese Lösung auch nochmals erschwert und verteuert! Siegel ist da auch ratlos. Nun wir werden ja sehen: wir sind sehr bescheiden geworden, sind schon um die 25 qm recht froh, denn wenn wir nicht bald einen Büroraum bekommen können wir so wie bisher nicht mehr weiter arbeiten: einfach unmögliche Zustände im Geschäft! Und ich muss letztlich hier den ganzen Dreck ausbaden. Was durchaus nicht zur Hebung meines Zustandes beiträgt. - Um Nemeskei ist ganz still geworden: ich fürchte, seine Wohnung bekommt er nicht so schnell! Jedenfalls wir nicht das dort gedachte Zimmer als Büro. Wie es dann mit der geplanten Aufstellung von ein paar alten Instr. wird ist völlig ungeklärt. - Alte Musik machen: schön und gut, aber wie? Vorerst haben wir noch nicht einmal einen Stimmschlüssel, um die 2 Stein die jetzt hier stehen stimmen zu können, da alle verbrannt sind. - Von Marx nichts zu hören. Die Mozartflügelcopie steht in Volsbach (Fl) und Kohlstein (Mechanik). Clavichordcopie [MIR1070] in Pottenstein. Nun noch etwas Wichtiges: bitte überlesen Sie die Mozart-Flügel-Gedenkschrift auf evtl. Änderungen des Textes. Auch müsste dieser ergänzt werden durch die Erwähnung, dass das Haus Rück das Clavichord kopierte und vom Fl gemeinsam mit Karl Maendler-Schramm, München zwei Meistercopien machte, die im Besitzer dieser Firmen sind, mit Genehmigg. der Stiftung M.[ozarteum]. Ich will nämlich die englische Übersetzung entweder mehrfach abschreiben, oder vervielfältigen lassen oder evtl. drucken lassen, wenn ich einmal klare Beweise sehe, dass in den englisch sprechenden Kreisen dafür ein wirkliches Interesse besteht. Und dazu bräuchte ich die Ergänzung recht bald, um die ich Sie hiermit herzlichst bitte, damit ich die Änderungen hier übersetzen lassen kann und einfügen. - Kulturinstrumente Erlangen: bitte berichten Sie mir, was davon durch Rückert bisher gemacht wurde und geben mir freundl. über Körner Bescheid, damit ich evtl. wieder hineinfunke bei Haid und Rückert. R sehe ich nie, Haid alle 14 Tage einmal. Habe nur Verbindung durch die neue Kontoristin Lindner, Pfeifergasse 6 bei Müller, die 2mal wöchentlich zu mir herauskommt. Aber ich will in den nächsten Wochen doch sehen, öfters hineinzufahren, da ich einen Passierschein für 4 Wochen bis Ansbach bekam, mit dem ich die Bahn benutzen kann. Autobus für mich noch undiskutabel. Alles Gute Ihnen und herzlichste Grüsse von Ihrem

Vielleicht können wir bei Nemeskei das gedachte Bürozimmer ganz mit alten histor. Instr. ausstatten, also nicht das von ihm nach vorne gedachte sond. das rückwärtige Z. Bitte besprechen Sie dies einmal mit ihm!"