NL Rück, I, C-0873h

"Lieber Herr Dr. Rück,

lange bin ich nicht nach Nürnberg herübergekommen. Die Vorlesungen an der Hindenburghochschule finden ja auch nicht mehr statt. Zuletzt war ich Montag vor 8 Tagen drüben, wollte 1328 mit der Bahn fahren, um Sie noch auf der Jahnstr. anzutreffen, aber eines Alarms wegen kam ich nicht mit diesem Zuge fort - ebenso wie am Donnerstag vorher. So konnte ich Sie weder an jenem Donnerstag wie dann am montag treffen, denn am Donnerstag kam ich gerade so in Nürnberg an, daß ich Punkt 7 in der Hindenburghochschule war, - um weder ein gerichtetes Vortragslokal noch Hörer vorzufinden, und am montag war ich gar [erst] 1/2 10 drüben, nachdem erst der Zug vor und in jeder Station lange gehalten und dann noch eine Extra-Alarm-Einlage im Unterfarrnbacher öffentlichen Luftschutzkeller gefolgt war. Aber wozu erzähle ich das alles - Sie selber werden auf den Fahrten von und nach Hersbruck auch allerlei erlebt haben. Und vor allem: hoffentlich sind Sie und Frl. Luise und die Jahnstr. von den letzten Angriffen unbehelligt geblieben. Schade, daß Hersbruck und Erlangen so unbequem auseinanderliegen, sonst käm ich gelegentlich mal hin.

Hier ist das Semester bis 10. März verlängert worden. Aber auch in den 'Ferien' sollen die hier bleibenden Studenten 'betreut' werden. Überdas sorgen die Volkssturmübungen für Abwechslung. Dazu kommt noch - da nach Abstellung des Kochgases - Brennmaterial beschafft werden muß, - wozu ein 'Holzleseschein' die Erlaubnis gibt, das Holzholen aus dem Reichswald mit anschließendem Hacken - was den alten Knochen nicht mehr so leicht fällt. Übrigens hatte die Waberin ein Paket für Sie hinterlegt in der Leonhardstr. 29 bei Hartmann und Mittler. Hoffentlich ist das inzwischen gut bei Ihnen gelandet. - Die Südtiroler Geburtstagsflasche hat neulich ausgezeichnet geschmeckt. Inzwischen -  am 24. - ist nun auch die 'Silberne Hochzeit' friedlich vorüber gegangen, so weit man heute von 'friedlich' sprechen kann. Hoffen wir, daß wir doch auch mal wirklich wieder von 1000 Jahren Frieden sprechen können, und nicht nur sprechen: ihn auch wirklich kriegen!

Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen Ihnen und Frl. Luise // Ihr // RudolfSteglich."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1945,03,02
Schreibort
Erlangen