NL Rück, I, C-0873h

[handschriftl.] "Steglich Akt".

"Der Deutsche Klavierbau ist eines der Fundamente der deutschen Musikkultur und den Weltgeltung der deutschen Musik. Der deutsche Klavierbau hat in diesen Kriegsjahren selbstverständlich die notwendigen Opfer und Einschränkungen auf sich genommen zugunsten wehrwichtiger Aufgaben. Es besteht aber nun die eminente Gefahr, dass er als solcher ganz zum Erliegen gebracht wird und auch die Möglichkeit eines Neuaufbaus nach dem Krieg gefährdet wird.

Bei den Klaviererzeugern wurden bereits die besten Kräfte jüngeren u. mittleren Alters entweder eingezogen oder auf andere wehrwichtige Aufgaben umgeschult. Das hat zu einer Überalterung in den Betrieben geführt.

Hinzu kommen die ausserordentlichen Schwierigkeiten, überhaupt geeigneten Nachwuchs zu erhalten und heranzubilden. Ein schwerer Schlag ist ferner das seit Anfang dieses Jahres verfügte Verbot, Mechaniken für den Inlandsverbrauch herzustellen und die Weigerung der Reichsstelle für Metalle, für den Klavierbau Material frei zu geben., im Gegenteil, die Reichsstelle beschlagnahmt Vorräte * Sowohl die industrielle wie die handwerkliche Klaviererzeugung steht damit vor der St[i]llegung. Das hat zur Folge, dass sich bereits jetzt ein grosser echter Inlandsbedarf angesammelt hat und damit vor allem auch die musikalische Unterweisung der Jugend starke Einbusse erleidet. Allein in meinem Nürnberger Geschäft sind etwa 100 Bestellungen für Klaviere von Familien, deren Kinder Klavierunterricht erhalten sollen, vorgemerkt und unausführbar.

Nach Stillegung der Betriebe ist auch Lehrlingsausbildung nicht mehr möglich. Von den umgeschulten Kräften wird eine Anzahl der Branche dauernd verloren gehen. Der Mangel an geeigneten tüchtigen Konzertstimmern ist bereits katastrophal. Ganz zu schweigen von Restauratoren alter Musikinstrumente, die jahrzehntelangen Facherfahrungen der wenigen vorhandenen Restauratoren werden dadurch dem Kulturleben verloren gehen.

Ich bitte den Herrn ... zu prüfen, ob sich nicht irgendwie Möglichkeiten schaffen lassen, um wenigstens die Nachwuchsausbildung durch Belassung geeigneter Fachkräfte u. entsprechende Materialzuweisung sicher zu stellen.

Ich darf wohl darauf hinweisen, dass ein Klaviermacherlehrling mindestens 3 - 4 Jahre Lehrzeit benötigt, dann aber noch keineswegs als tüchtiger Fachtechniker anzusprechen ist, sondern noch viel lernen und viele Erfahrungen sammeln muss, bevor er in der Lage ist, Klaviere halbwegs pflegen zu können.

* über 20 Kilo."

Absender/Urheber Person
Datum
1942
erwähnte Personen
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Erbauer(in) Musikinstrument(e)
Kriegsfolgen