NL Rück, I, C-0873h

"Lieber Herr Doktor,

daß Sie sich trotz des herrlichen blauen Himmels zu einer Epistel aufgeschwungen haben, weiß ich wohl zu würdigen! Da werden Sie sich doch hoffentlich auch entsprechend erholt haben und Fräulein Luise ebenfalls. Die geplante Zillertaler Nachkur wird hoffentlich auch programmgemäß vonstatten gehen können, obwohl die Zeiten ja leider recht schwierig geworden sind. Da ich heute von Frau X. geb. Möbus erfuhr, daß Sie zunächst ein paar Tage in Kitzbühel sein wollen, schreibe ich dorthin.

Mit der Ermahnung, daß ich auch etwas für meine Gesundheit tun solle, haben Sie ganz recht. Aber was nutzen alle guten Ermahnungen, wenn jetzt die Urlaubsreisesperre verhängt ist! Wohl dem, der einmal draußen ist! Ich hatte ja heimlich, still und leise gedacht, ich könnte Sie in Badgastein wenigstens mal vom Zug aus begrüßen, weil ich doch nach Schloß Töllerburg bei Völkermarkt auf Einladung von Frau Dr. Neumerkel fahren wollte. Da hat nun aber das Semester erstens bis 12. August gedauert, und zweitens mußte ich danach die endlich im Seminar angekommenen Bücherkisten zur Bergung der nicht so nötig gebrauchten Bücher usw. einpacken. Da ich niemanden zur Hilfe hatte, den ganzen Kram alleine besorgen mußte, hat das volle 14 Tage gedauert. Es mußten ja auch Verzeichnisse der eingepackten Sachen angefertigt werden, und danach war der Restbestand wieder einigermaßen in Ordnung aufzustellen. Es sind 15 große Kisten geworden. Hoffentlich sieht man sie in nicht zu ferner Zeit gesund wieder! Diese Kistenpackerei war nun gerade in dieser Zeit des Ferienbeginns von mir nicht vorgesehen.

Aber sie mußte halt gleich erledigt werden, weil die Kisten dann mit einem Sammeltransport zusammen mit Kisten aus andern Seminaren auf irgend ein fränkisches Schloß wandern. Ich habe die Viola d'amore und die Cister samt einigen alten Flöten auch mit in eine Kis[te] verstaut. Hoffentlich bekommt's ihnen gut.

Schön, daß Marx wieder einiges geschafft hat! Für ihn in seinem Alter wäre eine Umgewöhnung gewiß nichts Ersprießliches, es kommt dabei gewöhnlich nicht viel heraus. Ich merke es an mir selber, wie man mit vorgeschrittenen Jahren immer mehr Spezialist wird, die Arbeit, auf die man eingefuchst ist, gut und in mancher Beziehung immer besser bewältigt, aber nicht mehr die alte Anpassungsfähigkeit hat, wenn man nun auf ganz anderem Gebiet etwas leisten sollte.

Wenn Sie übrigens mal was haben, was das Seminar erwerben könnte, was nicht gar zu viel Geld kostet, so täte ich es gern nehmen. Denn mit Büchern ist ja so gut wie gar nichts mehr, und das Geld ist nun mal da.

Auch mit den Büchern, die Sie gerne von mir besorgt hatten, sieht es nicht gut aus. Eine Novelle 'Wald' von Wilhelm von Polenz (auf Kriegspapier), allerdings mehr für Erwachsene, [Anm.: Wenn Sie sie brauchen können, schreiben Sie bitte!] ein paar mehr antiquarische alte Dürerbundhefte, die allerdings teils Nürnbergisch (Hans Sachs), teils gebirglerisch sind, also in dieser Beziehung wenigstens passen würden. Na, ich lege drei davon [hi]er bei. Wenn Sie sie sonst bei ihrer Unansehnlichkeit nicht gebrauchen können, begnügen Sie sich halt damit, sie selber zu lesen, sie sind nämlich ganz nett, eigentlich sogar mehr als nett.

Mit Salzburg ist es in diesem Herbst gewiß auch nichts. Valentin läßt daher auch nichts von sich hören. Schade, schade! Ich wollte auch mal die Gelegenheit benutzen, mich nach Preißelbeeren oder ähnlichem umzusehen. Das fällt nun auch ins Wasser. Wenn Sie ohne weitere Mühe Gelegenheit hätten, derartiges mal schicken lassen zu können ... aber so leicht wird das heut auch nicht sein.

Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen // Ihr // [handschriftl.] Steglich."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1944,08,30
Schreibort
Erlangen
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Auslagerung
Kaufinteresse