"Lieber Herr Professor Steglich!
Ich danke Ihnen bestens für Ihren l. Brief vom 6/7.9. nebst Ihren Ausführungen über die Broschüre, die ich voll unterschreibe! Sogar hinsichtlich von ein wenig 'meckern'! Sie werden sagen: der meckert schon wieder, also gehts ihm besser! Nun dazu: Bingold war nicht gerade sonderlich begeistert, denn ich habe in 3 Wochen keinen Deut zugenommen. Ich hatte in den letzten 5 Tagen ziemlich auszustehen, die Fahrerei nach Nbg. der niederschmetternde Eindruck meiner u. vieler anderer Ruinen, das für mich einfach noch nicht tragbare Laufen, dann dort immer allerhand Ärger: das sind lauter Dinge, die ich einfach noch nicht vertrage. Ich lag denn auch wieder 4 Tage. Heute fühle ich mich, auch gestern besser. Bingold verordnete mir eine neue Medizin 'Aktivanad' - der Apotheker behauptet, es wäre eine Wundermedizin - und mit der begann ich vor 2 Tagen. Ich vertrage sie und mir dünkt, sie wirkt vielleicht intensiver, als die bisherige allein. Hoffen wir das beste. Es ist jetzt das 6te Monat, da kam bei der Gürtelrose auch der allmähliche 'Aufschwung', zwar nicht im Schumann'schen Aufschwung-Tempo, aber immerhin, spielen wir ihn halt langsamer. Im Radio-Tempo ist er eh' nie gedacht gewesen: denn was man da jetzt an ausländischen Pianisten für Tempis bei unseren Klassikern hört, geht über die Hutschnur. Gestern vermaledeite einer Chopin (der sollte auf dem Erard [MIR1125] studieren!), einen Tag vorher verzapfte ein anderer einen geradezu entsetzlichen Schumann, dass sogar ich es merkte! Auch dem wäre ein Studium auf unserem unvergleichlichen Carl Stein [MIR1120] notwendigst. Schade, dass unsere lieben Flügel, an denen wir beide so sehr hängten, die einen Teil unserer Lebensaufgabe ausfüllten, nun stumm dastehen, mich immer hier im Wild'sKeller ganz Vorwurfsvoll ansehen. Ob und wann sie wieder einmal den Musikfreunden nahe bringen, wie Schumann, Mozart geklungen? So kann ich verstehen, dass auch Sie Sehnsucht nach Ihren historischen Klavieren haben! Haber empfängt jetzt den Gotteslohn für seine, meinem Haus gegenüber im Kriege bewiesene krasse Undankbarkgeit: er hat für September/Oktober kein Benzin, kein Tankholz. Die Am. sperrten diese Brennstoffe zugunsten verderblicher Lebensmittel-Transporte! Obs ihm gelingen wird, gelegtl. nach Pottenstein fahren zu können, darüber sprächen Sie am besten mit Haid, der mit Haber ständig verhandelt. Vielleicht könnten Sie für kulturelle Konzerte vor den Am. durch die Am. einen Lastwagen bekommen, der die Instrumente holt und Haber die Leute dazu abstellen. Ich bin mit einverstanden, sogar dankbar, wenn das Mozartclavichord dann auch wieder mit herein in die Or.[angerie] zu Ihnen kommt. Einen am. Eingriff in die Or. befürchte ich viel weniger, als wenns bei Ihnen privat stünde.
Die Restaurierungsarbeiten an Ihren privaten histor. Instrumenten könnte evtl. Käser machen, die am Institut werden Sie doch wohl N. übertragen müssen. Zur Spinettfrage: ich habe 2 neue Spinette für Konzertzwecke durch Marx auf m. Kosten bauen lassen, deren eines in Kohlstein steht in Kiste W. Rück 120, aber ohne Deckel, dessen Holz im Wildkeller lagert, der Deckel muss erst daraus gemacht:/
und angeschlagen werden, was erst ausführbar, wenn ich wiedereinmal eine Werkstatt habe. Das Beh[elfs]Heim Nr. 1 wird heute aufgestellt und durch Familie Mauerhoff bewohnt, damit nicht alles gestohlen wird, nachdem in den Keller Einbrüche mehrfach erfolgten. Das BehH Nr. 2 gibt Büro und Werkstatt ab: steht noch in Pommelsbrunn, wird aber in Bälde aufgestellt. Dieses bleibt, während Nr. 1 wieder abgebaut wird, wenn Ja 27 bezogen wird An 27 will Haid anschliessend beginnen ohne viel rumzufackeln.
Das Spinett ist natrl. für Konzertzwecke bestimmt, aber es muss ja auch erst eingespielt werden und 'bedeckelt'! Und vor allem: geholt werden. Ein 2tes Stück steht in Holnstein bei Neukirchen (Sulzbach) im Depot. Ein restaurierten historisches (Verona 1568) in Hersbruck, ein 2. restaurierten (ohne Signatur) in Kohlstein. Das Schmahl- und das kleine französ. Hammerklavierchen in Hersbruck, am Schmahl fehlen 2 Füsse.
Ankauf historischer Instrumente: kommt auf Ihre Mittel an, ich kann vielleicht etwas abgeben, soweit die Stücke greifbar sind. Leider in ich über Sieghartstein gar nicht im Bilder. D. bedauerte sehr, nicht gewusst zu haben, dass Ihr bekannter Mus.Wiss.ler nach Salzburg fuhr. Ich hätte wichtige Briefe mitzugeben gehabt. Es würde mich aufs höchste interessieren, wie der Mann über die Österr. Grenze kam, welche Papiere er dazu bekommen, wo er in Salzburg übernachten konnte, was an der Hochschule Mozarteum mit Preussner los ist, was in der Stiftung (Heidl war gut katholisch) und wie er in Salzburg aufgenommen wurde. Ich überlegte schon, evtl. Haid hinzusenden, obwohl es natrl. richtiger wäre, ich führe selbst. Das ist aber erst möglich, wenn ich wieder gesund bin Anderseits beunruhigt mich natr. es sehr, aus Sighartstein gar nichts zu wissen, was mit meinen Instrumenten, echten Teppichen, Körben mit Stoffen etc. geworden ist. Bitte berichten Sie mir, was Sie alles über Salzburg erfuhren. Und wenn irgend eine Gelegenheit wäre, dorthin Post befördern zu lassen, bäte ich sehr darum, mich rechtzeitig zu verständigen, denn ich muss das dann auch vorbereiten. Die Österreicher sollen ja in Bälde nach Radiomeldungen volle Reisefreiheit zwischen ihren Zonen bekommen!
Ihr Instituts-Steinway wird auch die technische Durchsicht brauchen: ab 20.9. habe ich sowohl Käser als Ziereis, also 3 Techniker, dann kann ich prompter bedienen. Wegen der Kulturklaviere moniere ich bei Haid, der derzeit nur für Behelfsheim-Aufstellung zu haben ist! Vielleicht monieren Sie direkt mit Postkarte Jahnstr. 27 (wird täglich Briefkasten geleert) auch noch deswegen und drängen auf Eile!
Becking: hat sich m.E. viel zu stark nach der nationalsoz. Seite engagiert, hätte klügerweise mehr im Hintergrund bleiben sollen. Doch befürchte ich anderseits für ihn nichts Schlimmes bei seiner Gewandtheit.
Clavichord-Text: ich finde ihn inhaltlich ausgezeichnet, kann bisher auch nichts finden, was vergessen wäre, vielleicht ein kurzer Hinweis, wie ein Cl zu traktieren sei, wäre nicht unangebracht als Gegenstück zum Hammerflügel. Aber: der 2te Abschnitt und der 3te würde wohl praktisch in kleine Sätze zerlegt. Beide Teile enthalten hineingeschachtelte Satzteile, die wir zwei verstehen, aber nicht ohne weiteres ein Unkundiger! Ich möchte in diesem Punkte eine nochmalige Überarbeitung anregen[.] Schon deswegen, weil der Text so, wie er jetzt steht, äusserst schwer in Englisch zu übertragen ist, was bei einzelnen kurzen Sätzen viel leichter gehen wird. Ein paar Richtigstellungen: Stimmstiftlöcher: besser Stimmwirbel-Löcher im Stimmstock zeigten klar, dass 2 andere Saitenanordnungen vorangegangen waren, Wort Suren doppelsinnig: besser weglassen. Halteband: neu gewebt genau nach dem Muster des alten, von dem noch ein Rest im Innern vorhanden war. ..dem Deckel neuen Halt durch handgemachte Scharniere nach dem Muster der alten. Im Mai 1942: würde ich lieber den Jubiläumstag selbst angeben, weiss ihn aber momentan nicht, kann noch eingefügt werden. Im kleinen Prunksaal: dürfte farbiger ausgedrückt werden da der Saal ja etwas einzigartiges historisches gewesen ist! Erlangen: do. Orangeriesaal mit einem prägnanten Beiwort schmückend herausheben. Dass man sieht, dass wir auch für die Vorführungen aussergewöhnlich prächtige, historisch dem Instrumente würdige Räume wählten. Auch hier stellen wir unser Licht nicht mehr hinter den Scheffel! ... bei alledem als wohlgelung erwies... hätte ich gerne präziser, richtiger 'saftigen' ausgedrückt, d.h. den Gedanken, der uns leitete: klangliche Erprobung unter verschiedenen Akustiken, in verschiedenen Stimm-A's (?).
Letzter Abschnitt: rechte, fruchtbare Auswirkung... vielleicht etwas 'dicker' auftragen, z. B. weitgreifende (ich meine, dass der Mozart-Stil daraus befruchtet wird). Ferner .. Lebenswerte.. ist da nicht prägnanter .. wiedererstandene Klang der Mozartzeit[.] Allerdings passt darauf wieder nicht die Folge.. wiedergewonnene Klanges --- vielleicht besser wieder neu erstandenen Klanges?? Dies nur meine unmaassgeblichen 'Meckerer'!
Ergänzung Seite 11: Luithlen erwarb 2 Walterflügel, weitere in anderen Museen sind mir nicht mehr bekannt geworden. Der Entwurf stimmt so.
Sie wollten oder sollten doch eine Abhandlung fürs Neue Mozart Jahrbuch Vierter Jahrgang über das Clavichord bringen? Ob wir diesen 4ten Jahrgang je erleben werden??? Ist Ihr Aufsatz schon geschrieben? Oder soll der mir übermittelte Wert identisch damit werden?
Valentin: tut mir leid, er war immer gefällig in jeder Weise und nahm sich sehr um alles an. Wer wird sein Nachfolger? Und kommt Paumgartner wohl wieder? All diese Fragen würden Sie und mich aufs stärkste interessieren. Wäre am feinsten, wenn wir zu Zweien hinfahren könnten. Aber wie anstellen? Vielleicht sprechen wir uns darüber einmal mündlich aus!
Für heute schliesse ich.
Im Kassenschrank oder Tresor liegen noch die Bücher, die Sie damals den NachrHelf liehen, wohlverwahrt.
Könnten Sie mir nicht eine Klavierschule besorgen für den Anfangsunterricht, neu oder alt? Ich wäre Ihnen sehr dankbar dafür! Vielleicht könnte ich sogar dafür Obst rausschinden.
Frl. Luise lässt Ihre Grüsse dankbar und bestens erwidern. Auch ich grüsse Sie herzlichst als
Waber & Co.: wir bräuchten dringend eine Briefwage, vielleicht kann uns Frau Waber helfen! Die unsere verbrannte am 16.3.45. Luise und ich wollen je ein Zimmer bei Siegel in sr. Villa beziehen, wenn wir die Zuzugsgenehmigung und dorthin erhalten. Denn im Winter fahre ich nicht wieder täglich früh 6.20 nach Nbg., uns langen die 2 Jahre reichlichst!"