"Lieber Herr Dr. Luithlen!
Ich erhielt dankend gestern Ihren Brief, der mir allerdings wegen der entstandenen erheblichen Unkostenfrage betr. der Flügel Graf und Erard keine 100%ige Freude bereitet. Ich kann eigentlich nicht ganz verstehen, warum Sie in dieser Angelegenheit nicht mit Ihrer vorgesetzten Behörde sprechen wollen oder können. Es war ja seinerzeit sofortige Regelung vereinbart, die aber dann vier Wochen hinausgezögert wurde, wodurch die ganze Angelegenheit auf das jetzige Geleise gebracht wurde. Sie persönlich trifft ja daran nicht die mindeste Schuld, sodass ich Sie bitte, doch nochmals zu überlegen, ob Sie nicht doch diese Sache zur Sprache bringen wollen. Ich bin auch, wenn Sie wünschen, bereit, ein diesbezügliches eigenes Schreiben an die Sammlung zu richten.
Sehr erfreulich ist, dass Sie bereits einen jungen Mann fanden, der Ihre schönen Flügel in Ordnung brachte. Vielleicht würde er sich doch zur Ausbildung als Restaurator eignen. Ich könnte ihn allerdings erst dann hierhernehmen, wenn endlich einmal ein Friedensvertrag kommt und dadurch wieder geregelte Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich geschaffen werden können. Bis dorthin dürfte auch bei mir die Werkstattfrage befriedigend gelöst sein, da ich hoffe, im Spätsommer in mein Haus Jahnstr. 27 einziehen zu können.
Ihre Mitteilung über Könnecke-Flügel [sic] interessierten mich sehr. Könn[i]cke scheint ein aufgeschlossener Klavierbauer gewesen zu sein mit solidem Können, denn mein Könnecke-Flügel macht einen sehr guten Eindruck. Sobald es wärmer geworden ist, will ich in Erlangen eine Aufnahme machen und Ihnen alle Details geben. Zum Glück ist meine fotografische Ausrüstung in der Zwischenzeit wieder wesentlich bereichert worden, sodass ich jetzt schon Aufnahmen in den Formaten 9 x 12, 10 x 15 und 13 x 18 machen kann.
Sehr dankbar wären ich und insbesondere auch Herr [Paul] Stieber in München Ihnen, wenn Sie mir je 1 Foto-Aufnahme mit genauer Beschreibung der drei in Ihrere Sammlung befindlichen Barytone senden können. Herr Stieber stellte inzwischen fest, dass ein Ungar Baryton spielt und dass in Deutschland ausser ihm noch 2 Leute diese schwierige Kunst beherrschen. Ausserdem machte er die Bekanntschaft eines Herrn Wöhl [Waldemar Woehl], der an 90 Baryton-Kompositionen in Abschrift besitzt. Ich weise Herrn Ing. Stieber an, sich an das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde und an die Musiksammlung der Oesterr. Nationalbibliothek direkt zu wenden, falls er weitere Literatur benötigt. Er konnte inzwischen ein grosses, in Dänemark erschienenes Werk bei Steglich zu Rate ziehen und bekam auch Verbindung nach Amerika. Herr Stieber dürfte in absehbarer Zeit das gesamte über Baryton veröffentlichte Material mindestens karteimässig erfasst, z.T. aber auch schon in Fotokopien zugänglich haben. Es gelang mir auch, aus der schwedischen Zeitschrift für Musikforschung das Separatum die Arbeit von [Daniel] Fryklund über Baryton herbeizuschaffen.
Prof. [Tobias] Norlind - Stockholm ist leider im August 1947 verstorben. Die musealen Arbeiten führt seine langjährige Assistentin, Frau Karin Tenggren, weiter.
Leider schrieben Sie mir nichts, ob Sie Interesse haben, der neuen deutschen Gesellschaft für Musikforschung beizutreten, sei es als Einzelperson oder als Museum. Ich würde gerne die Anmeldung und die Formalitäten für Sie erledigen, wenn nicht schon geschehen.
Vielen Dank für Ihre freundlichen Grüße von Frau [Anna] Demel und Kommerzialrat [Josef] Siller, die ich bestens erwidere.
Nun noch eine wichtige Sache:
Ich suche für schwedische Freunde zwei Geigenreparateure und 1 tüchtigen Frosch- und Bogenmacher. Es handelt sich um ein grosses schwedisches Musikhaus, das Wert darauf legt, 2 erfahrene, zuverlässige, charakterlich einwandfreie, selbstverständlich politisch nicht belastete Geigenreparateure zu bekommen, die perfekt und selbständig feine einwandfreie Reparaturen ausführen können. Die Stellung ist angenehm, wird anständig bezahlt und für Einreisegenehmigung würde ge[s]orgt werden, ebenso für eine Einzimmer-Wohnung mit Küche. Da in Schweden die Wohnungsnot ebenfalls ganz erheblich ist, könnte, lediglich aus diesem Grunde, wohl kaum ein Mann mit grösserer Familie in Frage kommen, da eben, wie gesagt, eine grössere Wohnung vorerst nicht beschafft werden kann.
Nun ist mir bekannt, dass eine Anzahl sudetendeutscher Geigenbauer nach Wien kan. Ich wäre Ihnen dehr dankbar, wenn Sie sich telefonisch mit [Karl Richard] Kaltenbrunner besprechen möchten, ob er mir nicht eine geeignete Person, die vielleicht gerne in das Land, wo noch Milch und Honig fliesst, auswandern würde, benennen könnte, damit ich weitere Verhandlungen pflegen kann. Leider gibt mir Kaltenbrunner keine Antwort, ich schrieb ihm schon zweimal, frug an, wie es ihm erginge, teilte ihm eine auch sicher ihn interessierende Nachricht wegen eines schon längst zwischen uns besprochenen und vereinbarten Geigentausches mit, dass dieser bei Eintritt geordneten Handelsverkehrs durchgeführt werden könne. Aber Kaltenbrunner rührt sich nicht.
Darf ich Sie um Ihre freundliche Vermittlung bitten?
Prof. Steglich mache ich Ihre lieben Zeilen zugänglich und er wird sich sehr über Ihre anerkennenden Worte freuen.
Damit dürfte für heute alles erschöpft sein. Nehmen Sie, lieber Herr Doktor, meine herzlichsten Grüsse in alter Freundschaft entgegen, womit ich bin
wie immer Ihr getreuer".