"Sehr geehrter, lieber Herr Doktor!
Schon so lange will ich Nachricht an Sie senden, und heute ist mir das Einlangen Ihres freundlichen Briefes vom 13. August ein willkommener Anlaß, alles andere Beiseite zu stellen und Ihnen zu schreiben! Vor allem: die Angelegenheit Reichert ist ja völlig geordnet, und ich bestätige Ihnen das mit großer Freude! Ich freue mich wirklich darüber, und hätte gern auch von Ihnen ein Wort, daß Sie es ebenso empfinden! Im Übrigen bringt Ihr Brief ja eine Menge erfreulicher Nachrichten, daß es mit Ihrem Wiederaufbau in der Jahnstrasse so gut vorwärts geht, und daß Ihre Tasteninstrumente die Kriegszeit so gut überstanden haben. Wer arbeitet nun als Ihr Restaurator? In dieser Beziehung habe ich noch große Sorgen, denn es ist bis jetzt nichts geglückt, einen entsprechenden Nachfolger für Herrn Sobolak zu finden. Allerdings bin ich ja auch erst seit kurzer Zeit wieder ständig hier, so daß ich erst jetzt mit aller Kraft an die Lösung dieses Problems herangehen kann.
Im übrigen habe ich nun - da das Palais Pallavicini inzwischen anderen Zwecken zugeführt worden ist - in einem großen Saal der Neuen Burg als erstes Zeichen des Wiederaufbaues eine erste kleine Ausstellung eröffnen können, die in ganz großen Zügen die Entwicklung des Klavieres darstellt. Außerdem haben wir noch ganz große Pläne für Neuaufstellung unserer Bestände, die ja gottlob die Kriegszeit gut überstanden haben. Im Einzelnen ist freilich viel zu bessern und zu ordnen. Ich habe, wie Sie sich denken können, bis über die Ohren zu tun, um wieder einigermaßen alles so einzurichten, wie es sein soll, vorderhand muß ich überhaupt alles allein machen. Es ginge auch gar nicht anders, da ich als einziger mit den Sachen mich auskenne. Außer Sobolak sind auch die meisten Aufseher - ebenso wie die Sekretärin - nicht mehr da. Aber ich bin sehr glücklich mit meinen geliebten Instrumentenkindern!
Die Bücher, nach denen Sie mich fragen, werde ich selbstverständlich versuchen, irgendwie aufzutreiben: hier in der Sammlung habe ich nur je ein Exemplar, und meine privaten Bücher sind alle verloren. Ich werde versuchen, ob vielleicht Doblinger etwas hat oder besorgen kann. Auch bezüglich Ihrer Fragen für Herrn Stieber (Baryton) werde ich mein Bestes tun, und im September, wenn die Bibliotheken wieder offen sind, nach den Büchern forschen bzw. forschen lassen. In der Musiksammlung der Nationalbibliothek ist jetzt Professor Dr. [Leopold] NOWAK Direktor, im Musikverein weiterhin Frau Dr. [Hedwig] KRAUS.
Heute mittags traf ich auch Herrn Kommerzialrat [Alexander] HUTTERSTRASSER, und erzählte, daß ich einen Brief von Ihnen hätte: er läßt Sie auch herzlich grüßen. Ich selbst, lieber Herr Doktor, danke Ihnen sehr für Ihre Zeilen: bitte meine Empfehlungen an Herrn Professor Steglich bei Gelegenheit recht herzlich zu sagen! Ihnen selbst die aufrichtigsten Wünsche und Grüße! Ihr ergebener // [handschriftlich:] Dr. Victor Luithlen
Nun hoff' ich bald wieder auf ein paar Zeilen von Ihnen an die obige Adresse!"