NL Rück, I, C-970f

"Sehr verehrter Herr Doktor!

Vielen Dank für Ihren Brief vom 15. Mai! Ich freue mich sehr, daß ich Ihnen in der Angelegenheit der Zeichnung von Beethovens Studierzimmer behilflich sein konnte.

Zu Ihrem 60jährigen Geschäftsjubiläum und zu der Neuerwerbung eines Broadwoodflügels [MIR1124] möchte ich Ihnen sehr herzlich gratulieren. Das ist eine großartige Neuerwerbung zur Feier Ihres Jubiläums! Es ist ganz außerordentlich wichtig, daß nun ein spielbarer Flügel von der Art von Beethovens eigenem Instrument vorliegt: man wird sich also nun wirklich vorstellen können, wie Beethovens späte Klavierwerke zu seinen Lebzeiten geklungen haben. Ich habe mich auch immer bemüht, einen solchen Broadwood zu erwerben; einmal war auch ein ganz ähnliches Instrument angeboten, jedoch in einem so schlechten Zustande, daß ein Ankauf nicht in Frage kommen konnte. Der Flügel war vollkommen verzogen, so daß der Deckel nicht mehr schloß, und auch der Stimmstock völlig verdorben.

Von dem Mat[t]hias Müller, von dem das Pianino in der Sammlung Neupert stammt, besitzen wir kein Instrument. Ich kann Ihnen folgende Daten aus den alten Wiener Adreßkalendern geben:

Müller Mat[t]hias, Orgel u. Clavier. 1798 auf der Wieden 89. - 1806-1818 An der Wien, in der oberen Gestättengasse auf der Laimgrube 175. - 1819 Leopoldstadt, Praterstraße, bey der Kirche 502. - 1822-1842 Leopoldstadt, Praterstraße 502.

Von einem Klaviermacher Josef Hipp in Innsbruck habe ich keine Nachrichten.

Es interessiert mich sehr zu hören, daß der neue Band des Mozart-Jahrbuches nun doch vielleicht noch in diesem Jahr erscheinen soll. Ich werde voraussichtlich am Dienstag nach Pfingsten in Salzburg sein; vielleicht höre ich dann auch hierüber noch Neues. Über den dritten Flügel in der Form des Mozartflügels möchte ich Ihnen nun Folgendes berichten: In dem Buche 'Histoire du Piano' von Ghislaine JURAMIE (Collection Orion, Edition Prisma, 7, Rue Scribe, Paris) ist auf Seite 83 ein Flügel abgebildet [Juramie 1947], der am Hinterende die charakteristische Form des Mozartflügels aufweist. Das Bild ist bezeichnet mit 'Piano de Stein (Collect. G. Thibau[lt])'. Ich habe nun in Paris in der Sammlung Thibau[lt] nachforschen lassen und erfahren, daß der Flügel weder mit 'Stein' noch auch sonst signiert ist: es ist deutlich zu erkennen, daß einstmal oberhalb der Klaviatur ein Firmenschild eingefügt war, das aber heute fehlt. Es findet sich auch kein Firmenzettel etwa auf dem Resonanzboden. Der Resonanzboden selbst ist normal geformt, also nicht abgeteilt, wie der Mozartflügel. Die Tasten sind vorderstiftenlos.

Diese Erkundigung ergibt nun allerdings auch wieder kein greifbares Resultat. Es ist immerhin interessant, ein drittes Beispiel für die merkwürdige Bauart in der Form des Mozartflügels zu kennen. Vielleicht können Sie die Abbildung in dem zitierten Buch selbst einsehen: wenn es nicht in einer Ihnen nahegelegenen Bibliothek vorhanden ist, wird es gewiß möglich sein, es aus Paris kommen zu lassen.

Wir haben hier Festwochen mit zahllosen musikalischen Veranstaltungen; in ausgezeichneten Aufführungen kommt die musikalische Klassik und Romantik und auch die modernste Zeit zur Geltung. Außerdem hat sich in der vergangenen Woche auch ein musikhistorischer Kongreß hier versammelt. Es tut mir leid, daß neben zahlreichen Vertretern aus Deutschland nicht auch Sie und Herr Professor STEGLICH gekommen sind! Nun ist es mir noch nicht möglich gewesen, nach Eisenstadt zu fahren, und mich nach dem dortigen angeblichen Walter-Flügel umzuschauen. Ich werde mich also zu aller Sicherheit gleich einmal schriftlich an das Museum nach Eisenstadt wenden und um eine möglichst genaue Beschreibung bitten.

Nun hoffe ich, lieber Herr Dr. RÜCK, daß ich Ihnen doch wieder einiges Nützliche habe mitteilen können!

Mit vielen guten Wünschen für die kommenden Pfingstfeiertage bin ich wie stets // Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Luithlen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1952,05,27
Schreibort
Wien
Erwähnte Objekte
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Neuerwerbung
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Jubiläum
erwähnt im Zusammenhang
Sammlungsbestand
erwähnt im Zusammenhang
Sammlungsbestand
Literaturreferenz
Juramie 1947