"Sehr verehrter, lieber Herr Dr. RÜCK!
Vielen Dank für Ihre beiden Briefe vom 13. und 27. Dezember, die ich bei meiner Rückkehr von einer Weihnachtsreise vorfand, und für Ihre freundlichen Neujahrswünsche, die ich herzlich erwidere.
Mit unserem photographischen Atelier habe ich bereits gesprochen, und hoffe, daß es nächste Woche möglich sein wird, den jüngeren Walter aufzunehmen. Ich schicke Ihnen dann die Aufnahme sofort und füge die Reproduktionserlaubnis für das Mozart-Jahrbuch bei. Die Aufnahme werde ich in derselben Art machen lassen wie die Photographie des älteren Walter, die in meinem Führer 'Saiteninstrumente' [Luithlen 1941] von 1941 auf Tafel 3 reproduziert ist. Besitzen Sie nun diese Aufnahme schon oder muß ich Sie Ihnen auch erst kopieren lassen und zuschicken? Die Intérieur-Aufnahme, die ich Ihnen am 27. November überreicht habe, eignet sich n i c h t zur Reproduktion. Sie war lediglich zu Ihrer Orientierung bestimmt.
Ihre Erwiderung auf die Haas'schen Theorien wird mich natürlich sehr interessieren. Wie ist eigentlich die äußere Form Ihres ältesten Walter-Flügels [MIR1098]? Wenn sie ebenso gestaltet wäre wie die des Mozart-Flügels so wäre damit ein entscheidendes Argument gegen die Haas'sche Vermutung gegeben. In diesem Falle würde der Flügel ja wohl auch die merkwürdige Teilung des Resonanzbodens aufweisen, wie die beiden Flügel in Salzburg, die ich mir bei meinem Besuch in Salzburg in der Weihnachtswoche noch einmal angeschaut habe. Ist Ihr älterer Walter-Flügel vorderstiftenlos? - Von dem Walter-Flügel im Besitz Neupert hat mir Professor Neumeyer in Basel berichtet, der, wenn ich nicht irre, selbst darauf gespielt hat. Nach unserer Zählung wäre das der neunte uns bekannte Walter-Flügel: 2 Mozarteum, 2 Rück, 2 Kunsthistorisches Museum, 1 Fiala, 1 Linz, 1 Neupert. Außerdem soll kürzlich ein Anton-Walter-Flügel in das Burgenländische Landesmuseum nach Eisenstadt gekommen sein, den ich aber noch nicht kenne. Das wäre dann der Zehnte! - In der Signatur des Beethoven-Flügels steht das Wort 'Freres', wie Sie richtig vermuten, ohne Akzent, was umso auffälliger ist, als das Wort mit Ausnahme des F mit kleinen Buchstaben geschrieben ist.
Bei dem schon erwähnten Besuch in Salzburg habe ich mit viel Vergnügen das kleine Tafelklavier in Harfenform gesehen, das von Ihnen restauriert worden ist, wie mir Herr Ing. SCHURICH erzählt. Es klingt ganz reizend und ist auch als Möbelstück sehr anziehend. Anscheinend ist es ja nicht signiert, ebensowenig wie das von Sachs beschriebene Gegenstück hiezu im Berliner Katalog, als dessen wahrscheinlicher Erbauer Schmahl angegeben wird. Auch die Instrumentenvitrine in dem als Sitzungszimmer eingerichteten Raum ist ja nun fertig. Eine Reihe von Instrumenten des Salzburger Museums Carolino-Augusteum, die auswahlweise darin Platz finden könnten, habe ich schon im Herbst angegeben. Dann würde dieser Raum wirklich sehr hübsch werden. Ich habe mich gefreut, Salzburg wiederzusehen, und mit Ing. SCHURICH eine ganze Reihe von Dingen zu besprechen.
Hoffentlich bringt das Neue Jahr nun auch ein Wiedersehen mit Ihnen! Ich würde es auch das Herzlichste begrüßen, wenn wir wieder einmal zusammentreffen und über unsere musikalischen Probleme sprechen könnten! Mit den besten Grüßen bin ich, sehr verehrter Herr Doktor, // Ihr ergebener // [handschriftlich] Victor Luithlen".
Mehrer Stellen im Brief weisen blaue Markierungen von der Hand Ulrich Rücks auf, zwei davon auch kommentierend mit ja und nein.