NL Rück, I, C-970f

"Mein lieber und verehrter Herr Dr. Luithlen!

Haben Sie vor allem allerherzlichsten Dank für Ihre letzten 3 Briefe und die Fotos, was mich alles zusammen in diesen Tagen erreichte. Inzwischen wird Sie mein Brief erreicht haben, in welchem ich Sie um Auskunft über die für die 2-chörigen Saiten vorgesehenen Einschnitte im Resonanzbodensteg bei Ihren 2 Walter-Flügeln fragte.

Nun schreiben Sie mir von dem neuentdeckten Flügel im Niederösterreichischen Landesmuseum-Wien [heute Rohrau, Haydn-Geburtshaus]. Diesen Flügel als Vergleichsobjekt noch zu meinen vor dem Abschluss stehenden Studien und Vergleichen heranzuziehen erscheint mir äusserst wichtig. Sie schreiben 'der äusseren Form, Resonanzboden-Art und Vorderstiftlosigkeit mit dem Mozart-Flügel übereinstimmt'. Wenn ich Sie recht verstehe, hat dieser Flügel 1. die den Auslauf mit schwach nach aussen gebogener Rundung wie der Originale und der Garser, 2. den Resonanzboden geteilt in einen spitzwinkeligen linken Blindboden, diesen abgegrenzt mit einer Leiste gegen den eigentlichen Resonanzboden, 3. Vorderstiftlosigkeit.

Hierzu folgendes: Zu 1.) Sie fragen mich, warum wir bei der Restaurierung dem Garser-Flügel im hinteren Teil die gleiche Form gaben wie dem Mozart-Flügel. Das hat einen sehr einfachen grund: Man sieht heute noch am Garser-Flügel die Ansatzstellen und man sieht, dass der Flügel an dieser Ansatzstelle ausgebaucht war wie der originale Flügel. Aus diesem Grunde wurde die Ergänzung nach hinten nicht gerade vorgenommen, sondern eben in der eingebogenen Kurve, denn hätten wir den Flügel gerade weiterlaufen lassen, wäre dies nicht historisch getreu gewesen und hätte zudem eine zu breite schmale Rückwand ergeben. Weiter: Ich besitze im Archiv die Fotographie des Flügels im abgeschnittenen Zustand und zwar a) des offenen Flügels, aus dem die alte Rastenkonstruktion deutlich sichtbar ist, b) den alten Resonanzboden in ursprünglicher Form: Diese Fotos zeigen ganz deutlich, dass der Flügel in der ursprünglichen Länge ähnlichen, also ausgebauchten Querschnitt hatte wie der Originale, dass der Resonanzboden geteilt war in Blindboden und klingenden Boden, dass es sich also zweifelsfrei um ein ganz ähnliches Modell handelte, als wie es der Original-Flügel aufweist. Dies sind die technischen Gründe, aus denen sich zwingend ergab, wie das Schwanzende zu ergänzen war. Wenn man an der Ansatzstelle die Breite des Flügels misst und die Breite an den gleichen Stellen bei meinen 3 Walter-Flügeln und beim Originalen, so ergibt sich zwingend, dass die dort gemessene Breite dem Originalen am nächsten kommt, alle übrigen Walter sind an dieser Stelle schon schmäler, einfach deswegen, weil Walter die Ausbauchung bei den späteren Modellen wegliess.

Ich besitze in der Sammlung 20 Hammerflügel aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Von diesen hat kein einziger den spitzwinkelig geteilten Resonanzboden und kein einziger die Ausbauchung. Diese ist beschränkt auf den Originalen, den Garser Flügel und, wenn ich Ihren Brief recht verstehe, auf den Neuerworbenen des Niederösterreichischen Landesmuseums.

Um deswillen wäre mir sehr wichtig, wenn Sie an diesem Landesmuseum-Flüg[el]; wir wollen ihn für alle Korrespondenz LMW taufen, folgendes treffen möchten:

1) Die Umrissform

2) Nachkontrolle der Resonanzbodenform

3) Kontrolle des Resonanzbodensteges, ob er die Einschnitte für die 2-chörigen Saiten trägt

4) Hat er Moderatorzug mit Knopf über der Taste

5) Hat er die schwarze Hebelmaschinerie für die Dämpfung.

Um Ihnen die Arbeit zu erleichtern, lege ich gleich einen Fragebogen bei[,] in dem Sie nur kurz mit Blei die Antworten eintragen wollen.

Meine Studien und Vergleich kosteten mir viele Wochen Zeit, sind aber sehr aufschlussreich, denn in über 20 Punkten weise ich nach, dass es sich bei WAM bestimmt um ein Erzeugnis Anton Walters handelt. Ganz charakteristisch für Walter ist auch die Hammerkopfform, die durchgehende Fängerleiste von charakteristisch 3-eckiger Form und die Regulierung der Auslösung neben vielen anderen Punkten. Der Originale, Gars, Rück 1, 2 u. 3 und viel später Conrad Graf legen auf die Hinterdruckleiste eine dünne, zweite Leiste auf, welche ich als Auslöser-Regulierleiste bezeichne: Sie ist nach hinten garniert, damit der Auslöser geräuschlos nach der Auslösung anprellen kann. Die Auslösung ist bekanntlich eng zusammenhängend mit der Schnabelluft und dem Schnabelleder, eine äusserst subtile Sache. Walter reguliert nun die mehr oder weniger steile Stellung des Auslösers durch diese Auslöserregulierleiste. Sie läuft in 4 bis 6 Klötzchen, welche trapezförmig ausgeschnitten sind und in entsprechenden Führungen nach rückwärts oder vorwärts bewegt werden können. Hat man die richtige Stellung[,] so wird ein Stiftchen eingeschlagen, senkrecht von oben nach unten eingetrieben, dass die Auslöserregulierleiste durch das Klötzchen auf der Hinterdruckleiste fixiert wird. Meine hier habenden Graf-Flügel haben auch diese Einrichtung. Es bürgt für die Genialität und das tiefe klavierbauliche Können Walters, dass er schon späteren Zeiten voran [di]ese Auslöserregulierleiste verstellbar anbrachte, die, wie gesagt, viel später erst Graf übernahm. W[e]der mein Hofmann [MIR1109] noch mein Könni[c]ke [MIR1112] haben diese Vorrichtung. Nan[n]ette Streicher (Flügel Rück 1808 [MIR1117]) löst die Regulierung der Auslösung in anderer Form, indem sie jeden einzelnen Auslöser mit einer Stellschraube regulierbar macht.

Wenn Sie Ihre Walter-Flügel untersuchen, werden Sie bestimmt die Vorrichtung erkennen. Sehr wesentlich wäre mir, von Ihnen zu erfahren, ob auch Ihre Hammerflügel B, D, F, G, H, J, diese Vorrichtung besitzen.

Der vorderstiftlosen Führung legt Haas eine Bedeutung bei, die klavierbautechnisch nicht zu begründen ist, auch hat die Spielart nichts damit zu tun, ob die Tasten rückwärts in Kanzellen oder vorne in Vorderstift gef[ü]hrt sind. Dass die Kanzellenführung kein Privileg einer süddeutschen Schule gewesen ist, beweisen ja schon Ihre Flügel A, B, F, Tafelklavier Kober. Ausgerechnet diese sind alle in Wien gebaut! Bei mir sind vorderstiftlos vertreten die Bauorte Ansbach, Augsburg, Wien, Salzburg, Ulm, Dresden, Erlangen, in anderen Sammlungen noch andere Orte.

Ich darf Sie wohl freundlich bitten, meine heutigen Mitteilungen, die meiner Publikation vorauseilen, streng d[i]skret zu behandeln und vorerst bitte nicht nach anderer Seite weiterzugeben.

 

[Kopfzeile] Blatt 2 zum Brief an Herrn Dr. Luithlen-Wien vom 28. Febr.1952

Darf ich in der Publikation [Rück 1956] auf Ihre Hinweise unter Nennung Ihres Namens und der Sammlung hinweisen, oder wünschen Sie andere Regelungen?

Ich nehme an, dass Sie meine heutigen Mitteilungen bestimmt sehr interessieren und habe Ihnen noch herzlich zu danken für die wunderschönen Fotos.

Als Gegengabe lege ich Ihnen heute folgende Fotos bei:

Frühester Walter, Sammlung Rück [MIR1098],

Johann Andreas Stein, 1788, Sammlung Rück [MIR1097]

Flügelumriss von oben gesehen Original-Mozart und Gars,

Auslöserreguliervorrichtung mit Klötzchen, Original-Flügel Mozart, schwarze Dämpfungshebelmaschinerie,

frühester Walter Rück und Original-Flügel Salzburg,

genaue Mechanikmodelle von Mozart's originalem Flügel und J.A. Stein-Flügel.

Sämtliche Fotos mögen bei Ihnen als Belegstücke verbleiben.

Zum Schluss noch eine kleine Frage: wegen des Zugknopfes beim Jakesch u. Hofmann. Ich glaube aus einer Sammelfotographie ersehen zu wollen, dass bei einem dieser Flügel der Knopfzug links über der Basspartie der Klaviatur liegt, kann mich aber täuschen, darum verzeihen Sie meine nochmalige Rückfrage. Ihre freundliche Antwort erbitte ich direkt hierher.

Inzwischen viele liebe Grüsse und aufrichtigen Dank im voraus von // Ihrem

 

[Kopfzeile] Dr. Luithlen, Kunsthist. Museum, Wien 28.2.52

Fragebogen

Flügel im Niederösterreichischen Landesmuseum-Wien (LMW)

1.) Ist die Umrissform wie am originalen Walter-Flügel, vergl. beiliegende Fotographie von oben?

2.) Ist der Resonanzboden in einen spitzwinkeligen linken Blindbodenteil geteilt gegenüber dem großen rechten Teil, der den Steg für die Saiten trägt?

3.) Hat der Resonanzbodensteg für die 2-chörigen Saiten nur einen Stift und je einen Einschnitt für jede Saite bei den doppelchörigen Saiten?

Laufen die 3-chörigen Saiten am Resonanzbodensteg wie üblich zwischen 2 Schränkstiften?

4.) Hat er Moderatorzug mit Knopf über der Tastatur und zwar über der Mitte der Tastatur?

5.) Hat er die schwarzen Hebel für Heben und Senken der Dämpfung oder solche in Verbindung mit Kniedrückern, oder nur Kniedrücker?

6.) Wenn er Kniedrücker hat, wie sind diese von links nach rechts betätigend und ist der Kniedrücker für Dämpfungshebung so eingerichtet, dass er zuerst den Diskantteil und danach erst den Bassteil hebt? Dass man also je nach Betätigung des Kniehebels evtl. nur die Dämpfung vom Diskant abheben kann?"

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1952,02,28
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Bericht Restaurierung
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Foto(s)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Foto(s)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Vergleichsobjekt(e)
Literaturreferenz
Haas 1951
Rück 1956