"Lieber Herr Dr. Luithlen!
Haben Sie vielen Dank für Ihren so aufschlussreichen und erfreulichen Brief vom 10. Mai d.Js., der mich soeben erreichte. Ich danke Ihnen namens des Herrn Professor Dr. h.c. Edwin Fischer aufs herzlichste für Ihre Bemühungen und ich und sicher auch er sind glücklich zu wissen, wo das Bild liegt.
Ich bitte mit gleicher Post Herrn Dr. May um die Genehmigung zur Reproduktion und bat meinen alten Freund, Herrn Karl Duneitz, den technischen Teil dieser Sache direkt mit dem Museum abwickeln zu wollen, denn mit solchen Sachen darf ich Sie nicht auch noch belästigen, nachdem ich Ihnen so schon genügend Zeit weggenommen habe. Tausend Dank!
Ihre Mitteilungen durch Ihre Fotographin waren mir sehr wertvoll. Sie decken sich mit meiner Erfahrung, dass möglichst lange Brennweiten, also in diesem Falle über 40 cm, am geeignetsten sind. Die sogenannten stürzenden Linien werden vermieden, dass man eine Kamera verwendet, deren Objektivträger und deren Mattscheibe nach rückwärts geklappt werden können, damit sie wieder senkrecht stehen, wenn der Laufboden der Kamera geneigt wird. In Stuttgart ist ein Mechaniker, welcher jede Holzstativkamera so umzubauen in der Lage ist, was Ihre Fotographin sicher interessiert. Gegebenenfalls bin ich gerne bereit, Vermittlungsdienste zu leisten. Seien Sie froh, dass Sie eine Vorkriegskamera haben und eine Vorkriegsoptik, das ist ein wertvoller Besitz, umsomehr 18 x 24 Kameras neu meines Wissens noch gar nicht erzeugt werden.
Nun zum Erard: Die Unterdämpfung ist für die Erard-Mechanik charakteristisch. Ich liess von meinem Flügel [MIR1125] ein genaues Modell der Mechanik 1 : 1 anfertigen und werde dies demnächst fotographieren, um Ihnen eine Kopie überreichen zu können. Sicher hat der Erard, den ich Ihnen ja besorgte, die gleiche Mechanik.
Nun eine erfreuliche Nachricht: Am 7. Mai feiert mein Haus das 60-jährige Bestehen, dem eine kurze Pressevorführung voran ging, von der ich Ihnen für Ihre Akten je 1 Exemplar beilege.
Sie ersehen daraus, dass es mir gelang, aus London einen John Broadwood & Sons Flügel zu erwerben [MIR1124], genau des gleichen Modells wie Ihn Beethoven spielte. Der Flügel trägt die Nr. 6736 und die Jahreszahl 1815. Er entspricht mit 6 Oktaven und in der äusseren Form genau Beethoven's Flügel im Schwarzspanierhaus. Das Instrument ist spielbar, wurde in London restauriert, nicht gerade schlecht, aber den letzten Schliff werden wir erst ihm verleihen. Es wird demnächst fotographiert und dann geht Ihnen selbstverständlich ein Foto zu. Als weiter[e] Neuerwerbung nenne ich Ihnen ein aufrechtes Cottage-Piano [MIR1181], zwar mit der Firma Schott & Söhne, Mainz, aber entweder englischen oder - Wiener Ursprungs! Schott baute es nicht selbst, sondern meine Nachfrage ergab aus den alten Geschäftsbüchern, dass dieses mit noch anderen Pianos um 1826 von einem gewissen Müller erworben wurde. Nun baute ein Müller in Wien bekanntlich das erste in der Neupert[']schen Sammlung befindliche Pianino. So wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir über diesen Müller näheres mitteilen könnten. Falls sich ein ähnliches Instrument in Wien befände, wäre mir wesentlich zu wissen, ob wie bei meinem Piano die Mechanik in Mahagoniholz ausgeführt ist. An sich ist meines Wissens die Mahagoniholz-Ausführung typisch für England, evtl. noch Frankreich. Mein alter Restaurator, Herr Marx, der derzeit ein Modell dieser Mechanik baut, entsinnt sich, dass es eine Broadwood-Mechanik sein könnte, abgebildet ähnlich in Harding [Harding 1933], Seite .... Wenn nun in Wien auch solche Pianinos mit Mahagoniholz-Mechanik gebaut worden sein sollten, wäre es möglich, dass es von besagtem Müller stammt.
Weiter erwarb ich einen Tangenten-Flügel als Giraffenflügel [MIR1095], der ein Unikum darstellt, signiert mit originalem Schild von Joseph Hipp / Claviermacher in Innsbruck / wohnhaft au[?]ser der Innbrücke / Nro. 65. Leider ergaben Nachfragen in Innsbruck bisher keine Aufschlüsse über diesen Klaviermacher, der sehr gut gebaut hat, denn das Instrument hat eine phantastisch wirkende Mechanik, welche erlaubt, den Ton zu modellieren, was bei horizontalen Tangenten-Flügeln kaum der Fall ist. Auch hiervon werden Sie ein Foto bekommen.
Nun zu Salzburg: Vergangenen Sonntag/Montag fand eine Sitzung des wissenschaftlichen Beirats des Kuratoriums statt, die sich mit der Neuherausgabe von Mozartwerken befasst, was ich aber vertraulich zu behandeln bitte. Wie mir Steglich berichtet, ist beabsichtigt, im September wieder eine Tagung der Mozartforscher abzuhalten und - oh Schreck! - geht man sogar wieder mit der Absicht um, das Mozartjahrbuch herauszubringen! Das gibt mir und wahrscheinlich auch Ihnen einen Schreck. Ich hoffte immer, dass es nächstes Jahr erscheinen möge, damit ich meine Studien [Rück 1956] noch durch weiteres Vergleichsmaterial belegen könnte. Darum werde ich Ihnen sehr dankbar sein, wenn ich recht bald über den 3. Flügel in der Form des Mozartflügels möglichst viel durch Ihre Güte erfahren kann.
Inzwischen allerherzlichste Grüsse und lieben Dank von // Ihrem immer dankbar getreuen".