NL Rück, I, C-970f

"Sehr verehrter Herr Doktor!

Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 28. Februar, aus dem ich ersehe, daß meine Briefe und die Photos nun doch endlich bei Ihnen eingelangt sind. Heute ist auch Ihr Brief vom 6. März angekommen. Für die interessanten Photographien möchte ich Ihnen ganz herzlich danken; ganz besonders freut mich das Bild des Chopin-Erard-Flügels [MIR1125], das ich mir schon lange gewünscht hätte. Ein wahres Prachtstück, auch als Möbel so schön ausgeführt! Der Umfang ist, wenn ich einer alten Notiz folge, C1 - f4, und gewiß hat der Flügel ja die Erardsche Unterdämpfung?

Die Anordnung der Saiten beim Jakesch-Flügel ist genau so, wie Sie es in Ihrem Briefe vom 6.III. schildern. Die Zugknöpfe für den Moderator bei Jakesch und Hofmann I sind über der Tasten m i t t e angebracht.

Der Flügel im Niederösterreichischen Landesmuseum [heute Haydn-Geburtshaus in Rohrau] ist, wie gesagt, vorderstiftslos. 1) Umriß: wie Mozartflügel. - 2) Resonanzboden: abgeteilt. - 3) Ein Stift für jede Saite bei den zwichörigen Saiten am Resonanzbodensteg. Einschnitt konnte ich keinen sehen. - 4) Zugknopf für den Moderator über der Tasten m i t t e . - 5) Keine schwarze Hebelmaschinerie für die Dämpfung, sondern Stoßvorrichtung auf den Dämpferkasten wie gewöhnlich, betätigt mit doppeltem Kniehebel.

Mozarts Flügel in seiner speziellen Form steht also nicht allein. Neben dem Flügel im Niederösterreichischen Landesmuseum bin ich einem weiteren analogen Stück auf der Spur, weiß aber noch nicht genug, um darüber sprechen zu können.

Die Photographien des Garser Flügels im abgeschnittenen Zustand, von denen Sie in Ihrem Briefe vom 28. sprechen, sind gewiß von großem dokumentarischem Wert, wenn damit erwiesen wird, daß der Resonanzboden ebenso geteilt und die Form vor der Abschneidung die gleiche war wie beim Mozart-Flügel. Zu denken gibt Folgendes: dieser Garser Flügel ist immer als spät bezeichnet und um 1800 angesetzt worden (Steglich, 'Studien an Mozarts Hammerflügel', Neues Mozart-Jahrbuch 1941, Seite 188 u. 208; der Umfang geht bis g3, (Mozartflügel und N.Ö. Landesmuseum bis f3!), Vorderstifte. Sie selbst schreiben aber: 'weil Walter die Ausbauchung bei den späteren Modellen wegließ'??

Meinen Sie, daß unser 'Kaiser Joseph'-Flügel trotz seiner Stoßzungenmechanik als Wiener Erzeugnis bezeichnet werden kann? Wie weit die vorderstiftlose Anlage von klavierbautechnischer Bedeutung ist, muß ich Ihrem fachmännischen Urteil überlassen. Die Spielart aber ist, wie ich als Klavierspieler aus eigenster Erfahrung sehr genau weiß, bei Vorderstiftlosigkeit[,] eine sehr verschiedene und eigenartige. Es ist Steglichs Verdienst, zuerst darauf hingewiesen zu haben und die dem Clavichord nahestehende Spielart hervorgehoben zu haben (Neues Mozart-Jahrbuch Seite 207f. und Anmerkung 20).

Ist nun wirklich schon alles auf die ganze Frage bezügliche Material durchgearbeitet, ist nicht noch manches zu überdenken, bevor die Haas'schen Theorien mit Erfolg widerlegt werden können? Scheint es Ihnen nicht nötig, daß Sie selbst den Flügel im Niederösterreichischen Landesmuseum in Augenschein nehmen und manche klavierbautechnische Einzelheit an unseren hiesigen Instrumenten besichtigen, die ich Ihnen nicht schriftlich vermitteln kann? Ich brauche kaum zu wiederholen, wie sehr ich mich freuen würde, Sie hier zu sehen! Ich wäre auch gerne bereit, auf dem neutralen Boden unserer Sammlung eine Aussprache mit Professor HAAS und Dr. FIALA herbeizuführen, wenn Ihnen das angenehm wäre. Vielleicht würde dies manches erleichtern? Im Monat April werde ich, wie ich hinzufügen möchte, zeitweise abwesend sein, dagegen den ganzen Monat Mai und den größten Teil des Juni in Wien.

Wenn Sie in Ihrer Schrift [Rück 1956] anführen wollen, daß ich als Leiter der Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums in Wien alle Auskünfte über die dort verwahrten Instrumente jederzeit gerne gegeben habe - was an sich selbstverständlich ist! - so ist mir das natürlich sehr recht. Einzelheiten dieser Auskunft brauchen natürlich nicht angeführt werden!

Ich hoffe, lieber Herr Dr. RÜCK, daß Sie aus diesen meinen Zeilen ersehen, wie sehr ich mich für das ganze Klavierproblem interessiere und wie sehr ich eine Lösung der von HAAS und FIALA aufgeworfenen Frage begrüßen würde. Nehmen Sie nochmals meinen Dank für Ihre Photos und auch das freundliche Platten-Angebot!

Mit vielen herzlichen Grüßen bin ich wie stets // Ihr ergebener // [handschriftlich] Victor Luithlen".

 

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1952,03,14
Schreibort
Wien
Erwähnte Objekte
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Foto(s)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Foto(s)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Besitzer(in) Musikinstrument(e)
Literaturreferenz
Steglich 1941
Haas 1951
Rück 1956