"Sehr verehrter Herr Dr. Rück!
Vielen Dank für Ihren Brief vom 3. Juli, aus dem ich ersehe, daß Sie sich wieder mit den Walter-Problemen befassen!
Über die Frage der Datierung des ‚Garser‘ Flügels habe ich mir schon viel Gedanken gemacht. Ohne Zweifel ist er - wie ich es in meinem Aufsatze im ‚Mozart-Jahrbuch‘ ausgeführt habe - das jüngste Mitglied der Gruppe mit der eigenartigen Schweifung am unteren Ende und dem geteilten Resonanzboden: Er besitzt bereits eine reine Vorderstiftführung, den um 2 Töne vermehrten Umfang und betätigt den Moderator durch einen Kniehebel statt durch den oberhalb der Klaviatur angebrachten Knopf. Deshalb muß er aber nicht gleich - wie Steglich es annahm - in die Zeit um 1800 versetzt werden. In Ihrem Manuskript über den Mozart-Flügel von 1951 schreiben Sie (auf Seite 11) davon, daß beim ‚Garser‘ Flügel ein aus älterer Zeit lagernder Stimmstockkeil mit Einkerbung für den Moderatorzughebel verwendet worden sein könnte. Ist es klaviermacherisch denkbar, diese Annahme insoferne auszudehnen, als daß ein ganzer älterer Kasten samt dem geteilten Resonanzboden verwendet und mit der neueren, um 2 Töne vermehrten Mechanik ausgestattet worden wäre?
Über die Geschichte des im Niederösterreichischen Landesmuseum [heute Rohrau, Haydn-Geburtshaus] verwahrten Flügels näheres zu erfahren, habe ich mich seinerzeit schon bemüht. Von Seiten des Ordens der Barmherzigen Brüder wurde eine Verbindung des Instrumentes mit Joseph Haydn behauptet, die sich aber keineswegs beweisen läßt. Nähere Einzelheiten wird Ihnen gewiß die Direktion des Niederösterreichischen Landesmuseums (Wien I., Herrengasse 9) mitteilen, wenn Sie - unter Hinweis auf meinen Aufsatz im ‚Mozart-Jahrbuch‘ - dort anfragen wollen.
Darf ich nun, lieber Herr Doktor, meinerseits eine Frage anschließen? Dieser Tage hatte ich die Versicherungswerte einer Anzahl von Instrumenten festzustellen, und in diesem Zusammenhang würde es mich sehr interessieren, wie Sie dieses oder jenes Ihrer eigenen Instrumente innerhalb des Preisniveaus in Deutschland einschätzen. Spitzenstücke wie den Flügel von J.A. Stein oder die Walter-Flügel ja jedenfalls sehr hoch! Wie aber setzen Sie einen reparierten, konzertfähig spielbaren Flügel etwa von Ferdinand Hofmann, Rosenberger, Schantz, Könnicke usw. an?
2 Klarinetten und Fagott aus der Mozartzeit setzten Sie vor Kurzem auf einen Versicherungswert von DM 1.000.--, also wohl je 300.-- für die Klarinetten und 400.-- für das Fagott? Diese Preise würden sich aber bei besonders schönen und signierten Stücken, doch wohl erhöhen?
Wie schätzt man Ihrer Meinung nach eine gut erhaltene, signierte Nürnberger Trompete (Messing) des 17. oder 18. Jhdts.?
Einige Andeutungen aus Ihrer reichen Erfahrung wären mir zur Gegenüberstellung mit meinen eigenen Schätzungen sehr wertvoll. Natürlich ist alles streng vertraulich. Um etwas von unseren Ansätzen zu erwähnen: für unser Streichquartett (2 Violinen, Bratsche und Violoncell) von Franz Geißenhof haben wir den Betrag von 10.000.-- Schweizer Franken (oder DM) angeführt.
Darf ich Ihnen, sehr verehrt Herr Doktor, nun alle guten Wünsche für die Sommerferien schicken? Auch Sie werden ja nun sicherlich eine Ruhepause einschalten. Vielleicht sind Sie sogar schon in Salzburg! Ich selbst freue mich schon sehr auf meinen Urlaub, der in 10 Tagen beginnen soll. Hinter uns liegt eine ungeheuer lebhafte Zeit: die glanzvollsten Festwochen, der Musikwissenschaftliche Kongreß, die Eröffnung der Mozart Ausstellung, unser Festwochenkonzert mit dem Thema ‚Klaviere der Mozartzeit‘, zahllose Besuche in der Sammlung.
Zu Anfang September bin ich wieder hier in Wien, und hoffe dann vielleicht auch ein paar Zeilen von Ihnen vorzufinden! Bis dahin bin ich, sehr verehrter Herr Doktor, mit vielen herzlichen Grüßen wie stets // Ihr aufrichtig ergebener // [handschriftlich] Victor Luithlen // (Dr. Victor LUITHLEN) // Leiter der Sammlung alter // Musikinstrumente".