"Sehr verehrter, lieber Herr Dr. RÜCK!
Vielen herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 25. Juli. Ich hoffe recht sehr, daß Sie gut erholt und gekräftigt von Ihrem Urlaube zurückgekehrt sind.
Ihre freundliche Andeutung, daß Sie gegebenenfalls geneigt gewesen wären, die Restaurierung unseres J.A. Stein-Flügels durchzuführen, weiß ich gebührend zu schätzen. Es wäre mir jedoch schon aus rein finanziellen Gründen ganz unmöglich gewesen, Ihnen den Flügel zur Reparatur nach Nürnberg zu senden. Die Restaurierung hat vielmehr naturgemäß in den Werkstätten unseres Museums zu geschehen. Die Herrichtung des Gehäuses, des Deckels und der Beine wird in der musealen Tischlerwerkstatt, die mit solchen Dingen wohl vertraut ist, gewiß auf das beste durchgeführt. Für die klavierbautechnische Wiederherstellung können wir den Klaviermacher einsetzen, der nun schon seit mehreren Jahren unserem Hause angehört, und der recht geschickt und mit steigender Erfahrung sich in die Sphäre der alten Klaviere eingelebt hat. Sie würden, lieber Herr Doktor, unsere Klaviere vermutlich in einem viel besseren Erhaltungszustand vorfinden, wenn Sie sich zu einem Besuch bei uns entschlössen, als es Ihnen aus der Kriegszeit erinnerlich ist.
Die Restaurierung des J.A. Stein bietet Gott Lob anscheinend auch keine besonders schwierigen Probleme. Stimmstock, Anhängestock und Resonanzboden sind intakt. Die Dämpfungskonstruktion entspricht der des Basler J.A. Stein-Flügels, ist also original und braucht nur überholt zu werden. Im Grunde handelt es sich um Neubesaitung und Neubelederung. Da ich die Wiederherstellung des Flügels für eine sehr wichtige Angelegenheit ansehe, strebe ich natürlich darnach, die Erfahrungen der wenigen Experten auf diesem Gebiete kennen zu lernen. Vor allem anderen ist mir natürlich Ihre eigene auf so reicher Erfahrung ruhende Meinung wichtig und wertvoll.
Daß Dr. FIALA mit der Restaurierung unseres J.A. Stein-Flügel befaßt wäre, ist ein Mißverständnis. Er hat diesen Flügel überhaupt noch nicht gesehen. Er arbeitet dagegen mit großer Hingabe an der Restaurierung und Spielbarmachung eines in entsetzlich schlechtem Erhaltungszustand befindlichen Flügels in seinem eigenen Besitz, den er für einen J.A. Stein ansieht.
Nun will ich herzlich wünschen, daß Ihr neues Depot bald eingerichtet sein wird, so daß Sie selbst wieder an Ihren Instrumenten Freude haben können! Ich selbst freue mich schon darauf, wenn ich Ihnen und Ihren Schätzen dann wieder einmal einen Besuch machen darf!
Am Samstag beginne ich nun selbst meinen lang erwarteten Urlaub. Es war wiederum ein arbeitsreiches Jahr, das hinter mir liegt, das allerdings auch sehr schöne Erfolge gebracht hat. Gerade in diesen Wochen hatte ich die große Freude der Fertigstellung der Reparatur unseres Orgelpositivs von Franz WALTER (Wien 1706), das in der Bergung schwer beschädigt worden war.
So schließe ich, sehr verehrter Herr Doktor, dieses lange Schreiben mit den besten Grüßen und Empfehlungen als // Ihr aufrichtig ergebener // [handschriftlich] Victor Luithlen".