"Sehr verehrter, lieber Herr Dr. RÜCK!
Nun weiß ich freilich nicht, ob Sie schon aus dem schönen Bozen wieder heimgekehrt sind, möchte Ihnen aber nun doch einmal für Ihren freundlichen Brief und ihre Karte vom 28. Mai recht herzlich danken. Hoffentlich haben Sie sich in Bozen von den vielen Anstrengungen und Aufregungen recht gut erholt. Jedenfalls werden Sie auch besseres Wetter gehabt haben als wir. Es hat die längste Zeit keinen richtigen Sommer gegeben, und erst seit einigen Tagen ist es wirklich warm geworden.
Es freut mich sehr zu hören, daß Sie nun in Nürnberg einen, wie Sie schreiben, sehr schönen Raum für Ihre Sammlung gefunden haben. Dann haben Sie ihre Schätze ja wieder ganz nahe bei sich zu Hause. Natürlich wird es auch für die Forschung sehr wichtig sein, wenn Sie Ihre schönen Stücke wieder näher an der Hand haben und vielleicht ernsthaften Forschern und Musikern wieder zugänglich machen können.
Es wird auch sehr liebenswürdig sein, wenn Sie mir von der Dämpferkonstruktion Ihres unsignierten Hammerflügels [MIR1104] Näheres sagen wollen, der ähnliche Drahtstifte besitzt wie unser J.A. Stein-Flügel [Inv.-Nr. SAM 626]. Das hat aber durchaus gar keine Eile. Wie man mir inzwischen aus Basel mitgeteilt hat, besitzt der dortige J.A. Stein-Flügel [Inv.-Nr. 1986.112] ganz genau die gleiche Dämpferkonstruktion wie der unsrige. Ich bin also in dieser Beziehung völlig beruhigt. Wir könnten nun diese Frage eigentlich als erledigt ansehen.
Wenn Sie mir, lieber Herr Doktor, aber bei anderen etwa auftauchenden Fragen bei der Restaurierung unseres J.A. Stein-Flügels Ihren Rat zukommen lassen wollen, werde ich Ihnen außerordentlich dankbar sein. So versucht augenblicklich Herr Dr. FIALA die Anbringung von schwach umsponnenen Messingsaiten im Baß und von Eisensaiten statt Stahlsaiten bei der Restaurierung eines alten Flügels. Das Eisen ist ja zweifellos richtig, doch kann man diese Saiten wohl kaum anders bekommen, als indem man sie sich aus alt abgenommenen Bezügen zusammensucht. Würden Sie meinen, daß diese alten Saiten technisch und musikalisch für ein Konzertinstrument brauchbar sein werden? Eine zweite Frage, die ich mir stelle, betrifft die Dämpfer bei einem durchaus zweichörigen Flügel wie unserem J.A. Stein: Soll man versuchen, bis ganz oben Keildämpfer anzubringen oder soll man von einer gewissen Grenze - etwa von a1 an - Flachdämpfer (natürlich aus Leder) anwenden? Darf ich fragen, wie das bei Ihrem J.A. Stein [MIR1097] gehandhabt worden ist? [Fußnote]
Hier sind gestern wieder einmal die Festwochen mit ihr[em] Trubel, mit ihren zahllosen Besuchen und Veranstaltungen zu Ende gegangen. Wir selbst haben einen Streichquartett-Abend in der Sammlung beigesteuert, bei der wir unser Geißenhof-Quartett vorführten. Das Programm an Opern, Schauspielen, Balletten und Konzerten war überwältigend. Es gastierte unter anderen das Philadelphia Symphony Orchestra, ein japanisches, ein jugoslavisches undBerliner Ballett, ein englisches und ein italienisches Theater, es gab Chorkonzerte, Dirigenten und Solisten. Natürlich konnte man nur einen Teil des Gebotenen selbst miterleben.
Nehmen Sie nun, sehr verehrter Herr Doktor, für heute meine besten Wünsche für Ihre weitere Erholung und die herzlichsten Grüße!
Wie stets bin ich, sehr verehrter Herr Doktor, // Ihr aufrichtiger // [handschriftlich] Luithlen
[Fußnote] Oder ist dieser Flügel vielleicht nicht durchaus zweichörig? Dann bäte ich um Ihre Erfahrungen bei anderen durchaus zweichörigen Flügeln."