NL Rück, I, C-0570n

"Sehr geehrter Herr Doktor!

Mit besten Dank empfing ich Ihre liebe Post aus Bozen, Karte vom 6.11. und Brief vom 9.11. Ich freue mich, daß Sie lieber Herr Doktor wie auch Frl. Luise gut erholt wieder nach Nürnberg zurückkehren.

Nun gleich zu den Epstein Flügel. Das Unterlegen an dem Leder der Fängerleiste ist wohl das einfachste, d.h. es handelt sich hier um einen neuen Flügel, wenn das sauber und unsichtbar ausgeführt wird. Das fachmännisch richtige jedoch, den Hammer in die richtige Stellung zu bringen. Dabei ist zu beachten, daß sich dabei die Schnabelluft verringert und der Außlöser den Hammer früher auslöst. Dem ist oft durch spannen der Außlößer Feder schon auszugleichen. Im übrigen muß bei spannen der Feder auch die Außlösung beachtet werden, daß der Hammer dann nicht bis zur Saite trägt, sondern noch 1 1/2 bis 2 mm vor der Saite wieder zurück fällt.

Ich hoffe, daß Sie aus meiner Angabe klar sehen und das in Vorschlag bringen, was dem Techniker zu empfehlen ist. Ich kann Ihnen nur immer wieder sagen, daß das der erste Jude wär, der wirklich geschickte Hände hat, bisher habe ich nur gänzlich unpraktische kennen gelernt. Der Jude ist eben für etwas anderes als für Hände Arbeit geboren.

Hammerstiele hätte ich gleich beilegen können, aber ich überlege mir, daß die Kopien weißbuchene v. Keller od. Renner haben. Haben Sie vielleicht noch einen übrigen von den Stielen als Muster?

Die Achsenstifte klopfe ich in die Stiele indem ich unten und oben ein Stück starkes Messing * so ausbohrte, daß die Spitze frei liegt * also eins unten und eins oben. Der Achsenstift geht gerade so tief in das konische Loch des unteren Bleches, daß der Stiel beim Einklopfen auf dem Bleche aufliegt.

Was die Stimmung betrifft so habe ich immer festgestellt, daß alle Holzinstrumente im Sommer nicht allein Stimmung halten, sondern sogar in die Höhe gehen, dagegen wenn die Heizung einsetzt die Stimmung ständig nachläßt. Es kommt oft vor, daß man im Sommer die Stimmung zurück lassen muß. Den selben Übelstand ist jedes Instrument ohne Eisenrahmen ausgesetzt. Sowie jeder Clavichord, Cembalo Hammerklavier sehr stark sogar Orgel und Holzblasinstrumente. Da wirkt jede Schwankung von Kälte und Wärme ganz beträchtlich.

Einst hatten wir in Dresden vor der Regierung mit Museumsstücke ein Konzert, bis Mittag hatte ich alles gestimmt auch die Orgel. [Helmut] Schultz hat nochmals alles durch gespielt. Bis 2 Uhr war der Saal noch kalt. Der Hausmeister sagte er bringt den Saal bis zum Abend noch auf die Wärme, so war es auch - aber die Stimmung schauderhaft, nur ein Glück, daß nicht so feinhörige Gäste anwesend. Hier machte es keine Feuchtigkeit oder Trockenheit sondern nur die Wärme. Am 2.11. sande ich eine Rolle Noten und einen Doppelbrief mit ein paar Zeilen an Herrn Scholz die Hämmer betr. für Meraner Flügel. Jetzt erfahre ich, daß H. [Martin] Scholz auch verreist war und werde wohl bald Bescheid bekommen. Auch für die 2 Lautenzüge habe ich den übrigen Filz beigelegt wovon ich verwendete.

Mit herzlichsten Grüßen // in alter Freundschaft // Ihr // Otto Marx".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1951,11,19
Schreibort
Leipzig