NL Rück, I, C-0570n

"Mein lieber Herr Marx,

vor unserer Abreise bekomme ich soeben noch einen Brief von Frl. Epstein, die die eine Mozartflügelcopie in NewYork besitzt und diese Copie hat das so wechselreiche Klima gut überstanden: eine Beweis wieder aufs neue für Ihre so meisterhafte Arbeit!

Nun war in der Mechanik ein Klappern. Das ist nun in seiner Ursache endlich gefunden dank Ihres Hinweises, wor[ü]ber ich Ihnen sehr dankbar bin. Sie schreibt mir:

'Es erwies sich, dass das Klappern einzelner Töne durch Anziehen der Feder beseitigt werden konnte. Nicht wirksam war dieser Umstand beim berüchtigten G'', Herr Schlessinger - der diesmal sehr hilfreich war - er hat wohl auch inzwischen herausgefunden, dass ich nicht für Gewaltakte zu haben bin - fand auch, dass dieses Geräusch mit der Fänger-Leiste zusammenhängt. Durch leichtes Vorbiegen des Stiftes auf der Diskantseite, der die Fängerleiste hält, dass also die Fängerleiste etwas näher an den Hammerkopf brachte, wurde dieses Klappern beseitigt! Das minimale Vorrücken der Fängerleiste hatte aber zur Folge, dass andere Tasten respektive die Hämmerchen stecken blieben, und so musste er die Fängerleiste wieder in ihre alte Lage zurückbringen. Um nun hier Abhilfe zu schaffen, schlägt er vor, entweder: das Leder der Fängerleiste am G" etwas zu lockern, und ein kleines Stückchen Leder oder Seidenpapier darunterzuschieben, damit der C"-Hammer sich fängt, Oder mi[t] seiner Kröpfzange die messingne Hammerkapsel leicht nach vorne zu biegen, um auf diese Art den Hammer in die richtige Entfernung zur Fängerleiste zu bringen. Bitte sagen Sie mir Ihre Ansicht darüber, ohne die ich weder die eine noch die andere vorgeschlagene Lösung unternehmen will. Mir scheint der erste Vorschlag weniger riskant.'

Hierüber erbitte ich nunmehr Ihren Rat, welcher Eingriff der richtigere ist. Schlessinger ist ein jüd. Techniker, ein Schüler von Maendler, der etwas kann. Man kann ihm den Eingriff machen lassen, den Sie nunmehr vorschlagen werden. Frl. Epstein bittet nunmehr um um einige Ersatzhammerstiele. Ich ersuche Sie, uns etwa ein halbes bis ein Dutzend uns zu senden, dann leiten wir solche weiter. Wie allerdings Schlessinger dann die Achse in den Hammer bringt, ist mir vorerst noch ein Rätsel. Wir haben ja in Nbg dazu eine Maschine (die ich erst im Kriege erworben habe aus dem Nachlass eines alten Klaviermachers), wie solche seit vielen Jahrzehnten in Wien verwendet wurde. Da Sie solche nicht haben, wäre ich Ihnen dankbar, mir zu schreiben, wie Sie die Stahlachsen in die Hammerstiele einfügen. Damit man Schl. einen Anhalt geben kann, falls Not an Mann wäre.

Frl. Epstein schreibt, der Flügel halte im Sommer die Stimmung viel besser als im Winter: was kann das für Ursachen haben? Natürlich hängts vom Klima ab. Im Winter hat sie ja Warmwasserheizung, aber sie hält streng auf genügend Feuchtigkeit durch Befeuchter. Sie ist eben eine akkurate Deutsche... heute noch, trotz bald 20 Jahren Aufenthalt in USA. Übrigens ist sie eine ganz fantastiche Spieleri[n].. ich hörte nie jemand, der den Flügel so fein behandeln kann im Anschlage! Ich will versuchen, dass sie in Salzburg 1952 engagiert wird.

In circa 10 Tagen bin ich in Nürnberg zurück und sehe dann zu, welche histor. Hämmer wir Ihnen dann als Zeitvertreib zusenden können. Auch folgt dann wieder ein Paket an Sie. Ich hoffe, dass Sie inzwischen mit dem Gesandten ausreichten.

Wenn übrige Zeit bei Ihnen, bitte ich, solche stets für Mozartflügelmechanikteile zu verwenden. Fordern Sie benötigtes Material bitte bei Scholz an. Ich erwarb in Salzburg vier fantastisch schöne sammet-seiden- weiche Hammerlederfelle... die d[en] alten Geyer-Fellen in nichts nachstehen. Dank Katholniggs Güte.

Scholtz stellte ich für 2 Wochen nach Salzburg ab, wo er bei Gehmacher und bei Ing. Schurich 4 Flügel auf die Höhe brachte, und wo er täglich nach 1 Uhr am Mozart- und Garserflügel studierte. Wir haben nunmehr wie ich hoffe alles beisammen, um mit 2 neuen Copien beginnen zu können, welche Arbeit nunmehr in acht Tagen steigt, und auf die sich Schultz ungeheuer freut.

Hoffen wir, dass in absehbarer Zeit die Zonengrenzen leichter aufgehen, damit wir auch Sie wiedereinmal in Nbg begrüssen könnten.

Ich und Luise erholten sich gut, nun kanns wieder an di[e A]rbeit in Nbg gehen, die in reicher Fülle auf mich wartet. Hauptsache für uns allesamt: gesund bleiben und arbeiten können. Aber gönnen Sie sich Pausen: sie haben solche längst reichlichst verdient.

In Augsburg wurde das Mozart-Erinnerungshaus wieder eröffnet: Neupert stiftete - vermutlich gegen 15000 Mark Bezahlung -- darin einen J. A. Steinflügel von 1787: er soll wie ich höre tonlich hart sein und nicht sehr schön klingen. Ja mein lieber Herr Marx hat solchen eben nicht unter den Fingern gehabt und der ihn "restaurierte" hatte keine Marx-sche Schulung... Ich sehe den Flügel demnächst gelegentlich. Auch einen Walterflügel hat Neupert erworben, der aber wie mir berichtet wird auch nicht an die unsrigen heran kann.

Nun genug für heute: Ihnen liebe Grüsse von mir und Luise // durch // Ihren getruen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1951,11,09