NL Rück, I, C-0873c

"Lieber Herr Professor Steglich!

Ihr lieber Geburtstagsbrief und die darin so freundschaftlich ausgesprochenen Wünsche freuten mich herzlich und ich danke Ihnen bestens für Ihr liebes Gedenken. Gerade recht zum 18ten kam er an: man sieht halt die Pünktlichkeit des alten Soldaten und 'Pioniers' der Wissenschaft! Wenn wir zurück sind, soll eine kleine Geburtstagsnachfeier stattfinden, bei der Sie nicht fehlen sollen. Man kommt beisamm bei Mutter Köhnen, Upp düt da woll'n wir Enen nehmen!

Wir feierten den Tag in Malnitz im Sonnenland Kärnten, es war ein strahlend blauer Himmel und wir speisten mittags im Freien auf der Terrasse des Tauernhofes bis gegen 3, allwo die Mutter Sonne hinter den Tauern verschwindet. Es war göttlich und die Kost dazu war fein. Dann machten wir noch einen Ausflug zum Stapnitzersee am Fuss des Ankogel. Abends gings zurück nach hier, wo dann der Tag mit ein paar Flaschen Rametzer Burgunders begossen wurde.

[S]ie wundern sich, dass wir noch hier sind. Nun zur Kur ist zwar Sonne sehr erwünscht, aber nicht unbedingt erforderlich. In den ersten zehn Tagen hatten wir etwa 8 nur Schnee, die vergangene Woche aber war schon sonnig. Dafür schneits soeben wieder lustig. Wir gehen wahrscheinlich am Sonntag hier weg, und zwar zuerst nach Klagenfurt ein wenig geschäftlich. Nach kurzer Weil gehts dann weiter nach Italien: aber wohin, das wissen wir eigentlich selbst noch nicht. Denn in den Dolomiten, wo wir eigentlich bleiben sollen, liegt nach dortigen Berichten schon Schnee und da ists in 1400 Meter Höhe immer eine gewagte Sache. Jedenfalls aber fahren wir wohl nach Florenz, unseren alten treuen Freund Garbari zu besuchen, umsomehr wir die Fahrkarte dorthin haben.

Es wird uns selbst sehr interessieren, Ihren Vergleich zwischen dem Creatonal und dem Stassfurter berichtet zu bekommen. Denn wenn das Creatonal das hält, was wir uns vorstellen, wollen wir evtl. das zweite von Maendler, wenn ers her gibt, uns
zulegen für unsere Platten über Instrumente der Sammlung-- wenn der Draht langt! Berichten Sie uns also bitte bald. Vorerst noch hierher, ab Sonntag abgehend nach Klagenfurt, Hotel Moser-Verdino. Also das Magnetofon ist auch nicht überwältigend, dafür werden die chem. physikal. Laboratorium - vielleicht dazu noch ein bakteriologisches für die Exoten? - an der Berliner Sammlung ungeahnte Möglichkeiten ausschöpfen. Die Vorführung der Sammlung erfolgt ja bereits magnetofonisch! Da sind wir noch nicht modern genug.

Übrigens ist die Copie [MIR1068] des frühesten Clavichords von Dom. Pis. 1543 mit italienischer Mensur fertig, soeben rief ich sie bei Marx ab, damit sie die Prager sehen. Spilling schrieb mir, es klappe alles zum 1.11. Becking schrieb mir, dass er die Sache nicht veranstalte, sondern eine Zeitschrift. Brief beiliegend gegen frdl. Rückgabe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein paar Tage vor dem ersten in uns. Sammlung alle klavierten Instrumente durchproben möchten und dann unserer neuen Kraft Herrn Khäser anleiten, was und wie ers stimmen soll, besonders die kurzen Oktaven und die gebrochenen erklären möchten. Ihn auch informieren möchten, dass er die Clavichorde alter Provenienz nicht auf normal A stimmen darf, sondern einen halben Ton tiefer nur, sonst klingen sie zu spröde. Die Hammerflügel keinesfalls höher als A 870, wenn sie höher sind, darauf herunterstimmen. Die Cembali dürften etwas unter normal A auch besser halten und klingen. Ich muss Sie damit belästigen, da sonst niemand Bescheid weis[s], denn unser Laugwitz verschwand urplötzlich und der Herr Stein hatte ja eh' nie eine Ahnung und nie ein irgendwie geartetes Interesse daran. Dagegen sagte mir Hr. Haid, dass der neue Mann Khäser sich bemühe, in die alten Instrumente sich einzuarbeiten: ein löbliches Vorhaben, das zu fördern ich Sie bitten möchte. Herr Haid möge die nötige Zeit dafür für Hr. K. frei machen. Ich denke das Dominicus Pis. aus Leipzig nehmen wir dann an stelle des Clav., das bundfrei ist? Als bundfreies dient dann das neue Maendler in Kirsch? Denn für beide dürfte wohl kaum Platz sein? Doch, es ist Platz dafür im rosa Zimmer auf dem Tischchen, auf dem die Modelle stehen. Diese bitte ich Sie dann zur Führung zu den betr. Instrumenten zu stellen, aber nachzusehen, dass sie alle auch gehen! Ich veranlasse mit gleicher Post, dass Herrn Khäser das Büchlein Sachs, Das Klavier [Sachs 1923b] zum Vorstudium aus m. Bibliothek gegeben wird. Sie sind jetzt ja als neuer Seminardirektor sowieso öfters in Nbg., so dass evtl. ein mehrmaliger Besuch nicht schaden könnte, damit alles in musikhistor. Beziehung klappt. Freund Elsishans hat auch noch den Dovidl [David] mit dem Psalter, der müsste gerahmt fertig sein: bitte treten Sie ihn, natürl. den Elsishans, auf die Flossen, damit
er noch im rosa Zimmer plaziert werden kann, denn das Bild ist für die Fürhung wichtig.

Fällt mir ein: Sie schrieben doch wegen einer Fotografie nach mir scheint Coburg (älte[st]e Clavichorddarstellung aus Schünemanns Artikel [Schünemann 1934]). Wenn nichts kommt, vielleicht könnten Sie Schünemann einspannen. Umsomehr es eine an Franken angrenzd. feine Sache ist. Oder wäre! So wäre eine Rückfrage schon des Schweisses des Edlen wert.

Hat Ihnen der Warschauer Kollege nicht das Buch über polnische Volksinstrumente beschafft? Norlind sprach davon, dass es ein solches gibt. Bitte kitzeln Sie ihn ein wenig. Wegen der polnischen Instrumente konnte ich insoferne 1 Erfolg buchen, als ich über Prof. Haberlandt/Wien eine Iglauer Adresse bekam und nun spannte ich Becking ein, dass er mir von dort eine Grobfiedel beschafft (Sachs Berl. Katalog [1922] Seite 135 Abbild. 13 Husla). Diese ist ein wichtiger Typ, da sie das einzige Violeninstrument mit noch deutlich mittelalterlichen Formen ist. Wozu noch eine kaukasische Fiedel käme, die ich über Glock zu erhalten hoffe, obwohl sie eine der größten Seltenheiten darstellt, aber die einzige noch übrig gebliebene Fiedelform darstellt. Wenn wir das Buch über polnische Volksinstrumente haben, kann ich angeben, was uns fehlt: es sind nur ein paar Instrumente. Übrigens habe ich von Norlind als Adresse für polnische Volksinstrumente: Zd zistaw Szule, Poznan, Plac Wolnosci 5, Pologne. Vielleicht würde der Kollege aus Warschau einmal bei ds. Adresse anfragen, zu Gegendiensten gerne bereit. Für eine Torbana gab mir Norlind diese Adresse: Konstanuy Misiewicz, Krzemieniec (Wolyn), Pologne, Post skr. A.14. Auch da wäre seine Anfrage erwünscht.

Wenn er erst bei diesen Adressen anfragen würde, ob und unter welchen Bedingungen Instrumente geliefert werden, würde er uns eine grosse Gefälligkeit erweisen. Dann noch eine Bitte: der Herr Prof. aus Warschau führte so interessante Platten aus der Tatra vor, darunter eine Dudelsackplatte: bitte fragen Sie nach den genauen Titeln und Nummern. Dann beschaffe ich diese Platten! Somit ein vollgerüttelt Mässlein Arbeit für Ihr Referat 'Polen', Abteilung Rück!

Die Schubertiade wäre sohin in Aussicht genommen zu Neuendettelsau, Amberg und Nördlingen? Hoffen wir, daß alle drei Plätze zum Abschluss kommen. Dann ist die Mühe des Einstudierens wenigstens erfolgreich. Erfahrungsgemäss ist an kleineren Plätzen oft dankbares Publikum vorhanden, was Spilling z. B. in Roth feststellen konnte. Nördlingen ist eine sehr reizvolle alte Stadt von schwäbischem Gepräge, also kanns dort nicht schlecht sein.

Wann steigt bei Ihnen der erste Abend?

Und wie ist der Bechstein geworden, nachdem er durch die Altmännermühle gelaufen ist? Mir gefiel er recht gut. Wir wandten alle Mühe auf.

Es schweben Verhandlungen mit Salzburg wegen der Instandsetzung von Mozarts Originalflügel und des gespendeten 2. Walterflügels. Darüber wurde ein Protokoll verfasst, das ich Ihnen zur freundlichen Einsichtnahme beilege. Als musikwissenschaftlicher Beirat sitzt im Kuratorium des Mozarteums Univ. Prof. Schenck [Schenk, Erich] aus Rostock, ein gebürtiger Salzburger, der unseren Vorschlägen in jeder Beziehung beistimmte. Was geplant ist, mögen Sie selbst lesen. Auch Sie sollen dabei mitwirken, insoferne namentlich, als der Flügel nach der Instandsetzung einzuspielen wäre, falls die Zeit noch reicht. Ich möchte Sie hiermit um Ihre Unterstützung dabei gebeten haben. Nachdem Schenck plötzlich auftauchte und alles gut hieß, war ein eigener musikwiss. Abriß zu unseren Vorschlägen unnötig geworden. Als Spieler des reparierten Instruments ist Casadessus in Erwägung gezogen worden: abwarten und inzwischen Tee trinken dürfte für diese Frage vorerst gegeben sein. Immerhin wäre mir wertvoll, Ihre Stellungnahme zu haben. Wenn wir die Reparaturen bekommen, ist dies für uns eine Ehre und ein Aequivalent für die jahrelangen Bemühungen von mir und meinem Bruder, die uns auch manchen Ärger brachten!

Heller bat Sie vor unserer Abreise, einen Artikel ihm für den Kurier zu schreiben über die Sammlungen, vorerst über die unsrige. Dazu machten wir eine eigene Aufnahme einer Gruppe:

von links nach rechts, zuerst oben, dann unten:
Chitarrone Kaiser Venedig [MIR906]/ Drehleier Vintschgau 18. Jahrhundert/ Saxophon Original Sax, Paris, um 1850 [MIR486]/ Trumscheit Füssen mit Bogen [MIR742]/ Serpent 18. Jahrhundert/ Baßgitarre in Harfenform, deutsch, um 1820/ Salterio Italien Mitte 18. Jahrhundert/ Pauke Tirol, um 1700 mit alten Schlägeln/ grosse Baßtuba alter Form, um 1850

die Ihnen übersandt werden sollte samt einer sehr guten Aufnahme unseres Nähtischklavierchens von Klein [MIR1174] in Wien um 1820.

Ich beauftragte Frl. Müller, ihnen beide Aufnahmen zu senden, telefonierte noch mit Heller, dass ers aufnimmt und Sie sollten dann die Aufnahmen samt Ihren Artikel an Heller senden. Dieser wollte den Artikel so bringen, dass er zeitlich mit dem Prager Besuche zusammenfallen würde. Wir würden uns von dem Artikel eine Anzahl Separatdrucke machen lassen, wenn schon der Satz steht, damit wir wenigstens 'etwas' aus und über die Sammlung haben, etwa Auflage 1000 Stück. Diese Separatdrucke waren noch nicht bestellt, müssten aber mit dem Artikel bestellt werden, was Herr Haid mit dem Aquisiteur des Fränk. Kuriers besprechen müsste, bevor der Artikel erscheint da ja der Satz unmittelbar nach Druck eingeschmolzen wird. Ich gab Ihnen dazu den für uns verfassten Aufsatz. Wenn Sie aber diesen nicht zugrunde legen würden, wäre mir fast lieber, denn sonst körnnen wir diesen Text nicht mehr für die immer noch geplante Sammlungsbroschüre verwenden, wenn er bereits veröffentlicht wurde. Oder Sie müssten dann für die Broschüre einen anderen neuen Artikel verfassen. Überlegen Sie! Viel Zeit hat die Sache nicht mehr, wenn die Leute wirklich am ersten kommen, worüber Heller wohl Bescheid wissen dürfte. Vielleicht fragen Sie doch bei Hl. an, nachdem wir in der bei uns stattgefundenen Sitzung alles fest legten.

Bleibt uns noch übrig, für Ihre freundlichen Kartengrüsse aus Frankfurt a.O. zu danken.

War dort nicht auch Maendler?

Ist das Cembalo wieder im Institut eingelangt? Wie ist ihm die Kur bekommen?

Kreutz will an Spilling schreiben wegen seines im Rahmen der Spillingkonzerte vorausgesehenen Auftretens. Sie wollten doch eventuell über Sauer eine Morgenfeier in Erlangen mit verbinden? Vielleicht verhandeln Sie direkt mit Alfred Kreutz, Stuttgart 13, Heidlesacker 1/I. Er hatte in Kassel einen grossen Erfolg, schreibt er.

Ich bin gespannt wie Ihr seel. Regenschirm, wie sich im Konservatorium die Kurse gestalten und welche Erfahrungen Sie dort machen werden. Wenn Sie mit Ihren Schutzbefohlenen in die Sammlung wollen, d.h. in unsere!, sind Sie natürlich immer willkommen.

Damit dürften alle schwebenden Fragen behandelt sein. Vielen Dank noch für Ihre guten Wünsche zur Erholung und viele herzliche Grüsse allerseits an Sie, die Familie, Sauer und alle Bekannten // von Ihren Brüdern".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1936,10,21
Schreibort
Bad Gastein
Erwähnte Objekte
Creatonal
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Husla
Streichinstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Suche
erwähnt als
Suche
erwähnt als
Restaurierung
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Chitarrone (Nachahmung)
Zupfinstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Altsaxophon
Blasinstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Nähtischklavier
Tasteninstrumente
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
Trumscheit
erwähnt als
Bestandsobjekt(e)
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Kopie
Involviertes Objekt
Gebundenes Klavichord (Kopie)
Involvierte Person
Literaturreferenz
Sachs 1923b
Schünemann 1934
Sachs 1922