NL Rück, I, C-0873c

[Handschriftl.] "Akt Steglich".

"'Ein Klavier oder gar einen Friügel kaufen?! - Ja, haben täte ich schon sehr gern so ein Instrument, denn es ist eben doch dasjenige, das gerade auch für die Hausmusik das schönste, vielseitigste und dankbarste ist: alle Musik vom Volkslied und Tanzschlager bis zu Sinfonie und Oper kann es uns näherbringen, und das, was eigens dafür von großen und kleinen Komponisten geschrieben wurde, ist so reich und mannigfaltig wie die Literatur keines andern Instruments. Auch wenn ich vor lauter Berufsgeschäften (oder als geplagte Hausfrau) selber spielen könnte, so möchte ich doch meinen Kindern die Einführung in die große deutsche Musik am Klavier ermöglichen, alle haben etwas fürs Leben davon. Aber, Aber...'

Diese beiden großen 'Aber' hört man nur allzuoft. Das erste gilt der Kostenfrage: 'Ein so teures Instrument ist für mich unerschwinglich!' Das zweite gilt der Raumfrage: 'Wir können uns nur eine kleine Wohnung leisten, überhaut sind die Zimmer in den meisten Neubauten klein, da bleibt kein Platz für ein so großes Instrument, leider!'

Das sind gewiß triftige Gründe gegen den Kauf eines Klaviers, oder richtiger: das waren triftige Gründe. Denn die Klavierbauer haben es jetzt möglich gemacht, jenen beiden 'Aber' erfolgreich auf den Leib zu rücken. Zwar steht es - obwohl sie es sehr gern möchten - nicht in ihrer Macht, dem einen Klavierliebhaber ein höheres Einkommen und jenem andern eine größere und zugleich billigere Wohnung zu verschaffen. Aber was in ihrere Macht stand, das haben sie nun getan, sie haben neben den bisherigen großen Instrumenten Kleinflügel und Kleinklaviere gebaut, die in kleinen Räumen bequem Platz finden, auch für bescheidene Geldbeutel erschwinglich und zudem - den kleineren Räumen entsprechend - klanglich durchaus vollwertig sind.

Es ist ja keineswegs so, daß ein größeres Instrument immer besser als ein kleineres sein müsse. Wohl kann ein großer Flügel leichter große Räume füllen als ein kleiner - im großen Konzertsaal wäre ein Kleininstrument fehl am Ort. Aber die Seele des Klanges, sein Edelgehalt, seine Sanglichkeit, jenes schwer in Worten zu fassende Etwas, das uns im Klang guter Instrumente bezaubert, ist nicht  durchaus an deren Größe gebunden. Das lehrt uns die Geschichte des Instmumentenbaus wie die gegenwärtige Entwicklung.

Nicht die äußeren Maße geben den Ausschlag, sondern das Genie des Instrumentenbaumeisters, das im harmonischen Zusammenwirken von edelen Baustoffen und durchdachter Formung jene charaktervolle Schönheit des Klanges erzielt, in der die musikalischen zeitgenossen ihr eigenes Klangideal verkörpert finden."

Absender/Urheber Person
Datum
1936
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