NL Rück, I, C-0873c

"Lieber Herr Dr. Rück!

Am Sonntag wird sich also in Badgastein das hohe Fest ereignen! Da tät ich mich ganz gern, weil es halt gar so eine schöne Gegend ist, höchstpersönlich als Gratulant einfinden. Da's aber nicht kann sein, zücke ich mine 'kleine Erika', um meine Glückwünsche per posta zu befördern. Daß ich sie heute schon aufzusetzen beginne, liegt daran, daß ich morgen und übermorgen etwas arg belastet bin - Samstag gehen die Seminarkurse im Konservatorium los, Sonntag vormittag muß ich den neuaufgemöbelten Stechbein im Erlanger Alten Rathaus mit einer Beethovensonate und Schubertsonatine eigenpfötigst einweihen. O jerum!

Nun aber zur Hauptsache: meine herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag! Mögen Sie ihn bei vollstem Wohlbefinden - inklusive desselbigen Ihres Herrn Bruders - und auch sonst günstigsten inneren und äußeren Umständen begehen! Und diesem Festtag sollen sich dann 364 der gleichen Güte anschließen - bis dann übers Jahr der Kreis wieder von neuem beginnt. Daß Sie noch im Gebirge sitzen, nimmt mich baß wunder! Sind Sie denn da noch nicht eingeschneit??? Die Blätter meldeten doch von erschröcklichen Schneefällen! Ich vermutete Sie deshalb längst an der blauen Adria!

Herr Haid hat mir inzwischen von der Technikerrevolution auf der Tafelfeldstraße berichtet. Na, eine wichtige Kraft ist ja wohl schon wieder da, so daß die Sache nicht so schlimm ist.

Diese Woche soll noch das Creatonal kommen. Ich bin gespannt - mindestens so wie der sehr schöne und fast neue Regenschirm, den man mir neulich im Kaiserhof gegen ein Monstrum vertauscht hat! In der Frankfurter Kollegenversammlung kannte keiner das Möbel. Da wurde übrigens, von der AEG glaub ich, ein neues Magnetophon vorgeführt, mit dem man erstens Aufnahmen machen kann und zweitens Streifen bez. Platten wiedergegen. Aber die Wiedergabe war keineswegs überwältigend. Um so angenehmer möchte ich mich nun von dem Creatonal überraschen lassen.

In Frankfurt/O. hab ich auch mit dem Warschauer Kollegen von wegen polnischer Volksmusikinstrumente gesprochen (Gusla und Hummel). Er behauptete aber, die könnte er nicht beschaffen. Vielleicht aber läßt sich doch noch eine Möglichkeit finden. Übrigens führte er wundervolle Schallplatten aus Zakopane (Tatra) vor, dabei eine ausgezeichnete Dudelsackaufnahme. Dies Platten sind auch käuflich zu haben, wenn man die Devisen hat oder sonst die Erlaubnis kriegt.

Die Frankfurter Tage waren in vieler Hinsicht interessant. Das dortige Musikheim ist freilich ein so unmusikalisches Gebilde wie man es selten findet - kein einziger wirklich zu gemütlichem oder festlichen Musizieren geeigneter Raum! Den Saal, den die Leute haben, hat die dortige Oberbürgermeisterin, die offenbar eine sehr vernünftige Frau ist, 'Trillerscheune' getauft. Das trifft den Nagel auf den Kopf! Aber das Zusammensein mit so vielen Kollegen war doch zumeist recht ersprießlich wenn es zwischendurch auch tolle Sachen gab, z. B. einen Vortrag des jetzigen Direktors der Berliner Instrumentansammlung, der ja von den Instrumenten gar nichts versteht, dafür aber allerlei physikalische und chemische Laboratorien angliedern will. O du heiliges Kanonenrohr! Auf der Rückfahrt hab ich in Dresden ein bißchen Station gemacht, in meiner alten Heimat, die doch immer wieder schön ist.

Auch die Nördlinger mochten jetzt im Laufe der nächsten Monate mal eine Schubertiade haben. Der Nördlinger Organist Schönnamsgruber ist durch Frl. Baur darauf gekommen. Ich hab nichts gegen diese Sache. Herr Haid rechnet jetzt aus, wieviel der Transport kosten wird. Dann kriegen die Herrschaften den Kostenanschlag und werden sich hoffentlich positiv entscheiden. Mir würde diese Fahrt Freude machen, zumal da ich Nördlingen noch gar nicht kenne.

Becking hat mir gegenüber noch nichts von seiner Nürnberger Unternehmung verlauten lassen! Aber dem kleinen Limmert scheint es in Hanover - Kunststück! - ganz gut zu gehen.

Daß Dr. Behr nach Frankfurt/M. zum Lenzewski-Quartett geht, wissen Sie wohl schon. Es ist nun gar nicht so einfach, einen geeigneten neuen Assistenten zu kriegen. Die Laufbahn lockt offenbar nicht sehr, und es fehlt auch an ausreichend vorgebildeten Leuten.

Weiterhin Ihnen und Ihrem Herrn Bruder gute Erholung und was alles dazu gehört!

Herzliche Grüße allerseits! // Ihr // [handschriftl.] Rudolf Steglich."

 

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1936,10,15
Schreibort
Erlangen
Erwähnte Objekte
Creatonal
erwähnt als
Ankauf