Handschriftliche Datierung oben links: "23.11.41."
"Mein lieber und verehrter Herr Kreutz!
Ihre beiden lieben Briefe haben mich undbändig erfreut. Ersehe ich doch daraus, dass Sie Ihr geistiges Gleichgewicht allmählich wieder gefunden haben. Denn es ist doch ein erfreuliches Zeichen, dass Sie sich nun wieder für Ihr geliebtes Clavichord zu interessieren beginnen! Auch sonst scheint mir, haben Sie ein halbwegs erfreuliches Dasein. Wenn ich auch Ihnen nachfühlen kann, dass in Lettland z. Zt für geistige Inter[e]ssen wohl wenig Raum ist.
Um so wichtiger ist für all Ihre Freunde, zu denen zu zählen ich mich glücklich schätze, dass sie den Kontakt mit Ihnen aufrecht erhalten. Was an mir lieg[t] soll dazu geschehen, und Sie bitte ich auch darum. So hoffen wir nach dem Kriege auf ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten, das aber indessen nicht unterbroc[hen] werden darf und soll.
Ihr letzter Brief, in dem Sie mich anweisein, was alles bei Cl.-Messungen zu beachten ist, ist mir sehr aufschlussreich. Ich habe aus dem Salzburger Museum ein kleines Tischclavichord zur Spielbarmachung erhalten für die Reichshochschule in Salzburg, das aus der Régencezeit stammend auf 1720 bis 30 zu datieren ist. Ich fotografierte den Boden von unten und oben, messe ihn aus[sen] ab und nehme alles auf, was Sie gewünscht haben. Der Boden war schon früher einmal heraus, wurde angesetzt, wie eine Inschrift innen besagt. Um 1820 herum durch einen -- Büchsenmacher in Salzburg!! Alles schon dagewesen. Als fehlte es damals schon an Hartmännern und Marx-isten.
Das originale Mozart-Clavichord übernehme ich erst in aller Bälde persönlich in Salzburg. Das Wiener Friederici steht noch unberührt im Museum, zu dem ich die allerbesten persönlichen Beiziehungen unterhalte. Es wird bestimmt nichts daran gemacht, denn es ist nicht Museumseigentum, und man restauriert dort z. Zt. nur Hammerflügel.
Was Sie wegen Hartmann und Marx schreiben ist ebenso betrüblich, wie dass es einmal auch für unseren guten Kreutz keinen Nachfolger gibt! In Wien hat man volles Verständnis und will auf meine Anregung hin einen Jungen einstellen und bei Hartmann abrichten lassen -- wenn man nur einen hätte! Alles bei der Wehrmacht.Hartmann hat übrigens einen jungen Mann, den er abrichtet.
Gibts in Lettland gar nichts an Musikinstrumenten volkstümlicher Art: Schalmeien, dreieckige Psalterien wie in Russland, Talharpas darnach würde meine Seele dürsten! Vielleicht erschnüffeln Sie doch etwas für mich.
Gesundheitlich gehts mir erträglich, die Sache mit meinem Bruder macht mir immer noch zu schaffen, auch der alte Lichen-Aus[s]chlag meldet sich wieder, ob dessen ich in den nächsten Tagen nach Wien zu meinen [Ä]rzten wieder fahren werde. Meinen Nerven gehts besser, und ich denke die beabsichtigte 3wöchige Massage-Kur wird mir wieder gut tun. Das Verpacken der Streich- und Zupfinstrumente und Verbringen in Iuftschutzsicherere Gefilde machte mir viel Arbeit, ist auch noch nicht beendet. Das Silbermann und das Befinger [=Geßinger, MIR1055] sind schon geborgen.
Geschäft: hört auf! Man hat die Mechanikfabriken ‘umgestellt’ dürfen nur beschränkt und nur für nachgewiesenen Export noch Mechaniken machen. Schiedmayer lieferten mir schon seit 1 1/3 Jahr kein Klavier mehr. Wien noch etwas. Ich stelle mich auf Vermietung um und auf Restaurieren histor. Instrumente für Museen, um meine Leute halten zu können, die ich noch habe und ein paar Groschen zu verdienen. Denn gebrauchte gibts ja auch nicht mehr. Nun ja: die Welt ist rund und dreht sich, wird auch wieder anders kommen. In diesem Sinne lieber alter Kreutz einen kräftigen Händedruck mit vielen lieben aufrichtigen Grüssen von Ihrem // alten getreuen".