"Lieber Herr Kreutz!
Ich freue mich herzlich über Ihren Brief vom 12.d.M., den ich soeben erhalte und zwar vor allen Dingen um deswillen, weil ich aus ihm entnehme, dass Sie allmählich Ihr seelisches Gleichgewicht wieder finden. Die Tatsache, dass Sie sich mit Clavichordfragen beschäftigen, beweist es mir.
So können wir also unsere Fachsimpelei auch im Krieg bis auf weiteres kräftig fortsetzen. An mir soll es nicht fehlen, wie Ihnen mein letzter Brief, den Sie inzwischen erhalten haben werden, bereits zeigt.
Leider gab das Museum in Salzburg nicht die von Ihnen erwähnten Clavichorde ab, sondern eben das Instrument, das ich Ihnen beschrieb [wahrscheinlich Salzburg, Kat.-Nr. 45]. Ich habe da natürlich keinen Einfluss auf die Museumsleitung und die Reichshochschule musste froh sein, dass sie dieses Instrument bekam. Es stammt zweifelsohne von einem guten Arbeiter, denn das äussere Gewand zeigt sich in reichen Nussbaum- und Ahorneinlagen sehr ansprechend. Ich werde also abwarten, was Sie mir wegen der Bodenberippung raten, nachdem ja der ganze Boden samt Steg und Rippe neu ist, vermutlich aber nach dem alten Muster gemacht.
Ich freue mich weiter, dass Sie so viele Beweise der Anhänglichkeit bekommen, die bei einem solch netten Kern und einem solchen Original wie Sie es zweifelsfrei sind, kein Wunder sind.
Leider erscheint über Clavichorde nichts in der Literatur, sonst würde ich es Ihnen schon senden. Auch in dem grossen Mozart-Heft, das die Wiener Zeitschrift 'Die Pause' zum Todestag Mozarts herausbrachte, ist nichts von Clavichorden erwähnt. Interessiert Sie dieses Heft? Es ist schön bebildert, aber wie gesagt, ist nur von dem verkümmerten Spross der alten Clavichordbaukunst, dem Hammerflügel, die Rede.
Nun zu einer sehr wichtigen Sache: den dreieckigen Psalter. Das ist ja gerade das, was ich mit Schmerzen suche und nirgends bekommen kann. Ich weiss allerdings, dass es Viechstrümmer Instrumente sind. Sie sind etwa 1 m lang, aber sie sind um deswillen sehr interessant, weil sie im Umfang von 23 - 28 Seiten die letzten Reste des mittelalterlichen Psalters in Dreieckform sind, die sich im europäischen Instrumenteninventar erhalten haben. Der einheimische Name ist Gusli.
Normal werden derartige Pakete von Urlaubern befördert, die solchen Kram mit nachhause nehmen. So schaffte ich erst kürzlich eine umfangreiche Konzertzither [wahrscheinlich MIR697 oder 698] nach Frankreich in einen Fliegerhorst durch einen Urlauber. Ich bekäme auch sicher die Einfuhrgenehmigung über die Devisenstelle, da ich in Berlin einen sehr tüchtigen Vertreter sitzen habe, der mir schon öfters derartige Sachen ohne weiteres regelte. Nachdem es sich um ein öffentlich anerkanntes Museum handelt bei meiner Sammlung, könnte ich auch Gutachten von Steglich und dem Kunstdirektor der Stadt Nürnberg beibringen, dass ein solches Instrument eine wertvolle Bereicherung der Sammlung wäre. Ich lege Ihnen gleich diese Gutachten bei, falls Sie wirklich das Glück hätten, solch ein Monstrum aufzutreiben.
Ausserdem ist in der dortigen Gegend noch heimisch die sogenannte Palharpa. Das ist eine Art Streichharfe in vorsintflutlicher Form, die sich eben auch in diesen Gebieten noch erhalten hat, während sie bei uns schon längst ausgestorben ist. Die Instrumente sind wesentlich kleiner und infolgedessen leichter zu transportieren. Sie finden sich besonders in Finnland, Estland und umliegenden Gebieten. Ich lege Ihnen eine Lichtpause bei, die die Dinger veranschaulicht und als drittes Instrument würde mich noch eine Kantele interessieren, deren Abbildung Sie auch beiliegend finden.
Das wären so meine Wünsche. Sie werden sagen, der Kerl ist verrückt, aber vielleicht treiben Sie doch etwas auf. Für das bevorstehende Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen herzlichst alles Gute und Liebe. Ich werde im Geist bei Ihnen verweilen und an Sylvester ein Glas auf Ihr leibliches und geistiges Wohl leeren!
In diesem Sinn drücke ich Ihnen in alter, treuer Freundschaft die Hand und grüsse Sie aufs herzlichste // als Ihr alter und getreuer".