"Lieber Herr Doktor,
vielen Dank für Ihre Karte. Es freut mich, daß Sie das Klinckerfuß-Verzeichnis doch noch gefunden haben. Daß es in dem Saustall, in das die Handwerker Ihr Haus verwandelt haben nicht zu finden war, wundert mich nicht.
Nun zu den Saiten des Hubert-Clavichords.
Das Ausmessen der Saitenreste ist eine Arbeit von mehreren Tagen. Zunächst müssen sie vorsichtig gereinigt werden, da sie total verrostet, bzw. oxidiert sind. Diese Prozedur allein dauert 1-2 Tage, da die Saiten sehr brüchig sind und äußerst vorsichtig behandelt werden müßem. Dabei muß man ständig mit der Lupe arbeiten um die ursprüngliche Stärke richtig zu verwischen[.] Ich habe einmal diese Arbeit gemacht und nachher geschworem sie nie wieder zu tun (sehr anstrengend für die Augen!).
Dann kommt noch eine sehr schwierige Sache: das Gerademachen der z.Teil ganz verkrümmten und verbogenen Saiten. Bei den umsponnenen Saiten ist die Arbeit noch komplizierter.
Dann kommt das Messen selbst mit unzähligen Kontrol[l]messungen.
Dann das Auswerten der Zahlen und das Feststellen der richtigen und unrichtigen Stärken (die geplatzten Saiten wurden oft durch falsche Saiten ersetzt, die man gerade zur Hand hatte!).
Alles das ist auf Schwäbisch gesagt eine Sauarbeit!
Deswegen wollte ich schon die Saiten zusammenpacken und Ihnen gratis und franko schicken. Dann erinnerte ich mich daran, daß Sie den Göhlinger (Geschichte des Clavichord) abschreibem lassen wollten und wurde milder gestimmt.
Schreiben Sie mir bitte sofort, ob es Ihnen mit dem Göhlinger ernst ist umd wann er ungefähr fertig sein könnte Ich werde mich dann evl. an das Saitenmessen setzen. Sonst bin ich gerne bereit, Ihnen die Saiten zu schicken, befürchte aber, daß Sie niemanden finden, der diese Sache mit der nötigen Geduld und Sachkenntnis macht.
Was der Staat mit uns macht, ist noch nicht entschieden; vorläufig laufe ich noch frei herum, doch wird es ab 1. Oktober sicher anders.
Mit herzlichen Grüßen bin ich // [handschriftl.] Ihr AKreutz".