"Lieber Herr Doktor,
vielen herzlichen Dank für das schöne Packet mit süßen Sachen!
[Es] hat mir viel Freude bereitet, nicht nur seines Inhalts wegen, sondern auch als Beweis der Teilnahme an meinem Schicksal.
Ich bin direkt gerührt über die Briefe und Päckchen, die ich täglich von meinen Bekannten bekomme. Sie beweisen mir, daß ich hier in dieser gottverlassenen Gegend von meinen Freunden doch nicht verlassen bin.
Wie geht es Ihnen, lieber Herr Doktor? Sind Sie gesundheitlich auf der Höhe? Was macht das Geschäft?
Sie ahnen nicht, wie sehr mich alles interessiert, was mit der Heimat und mit dem Leben meiner Bekannten zusammenhängt. Ich befürchte immer, daß in 2-3 Jahren, wenn ich nach Hause komme, ich als völlig fremder da stehe. Die Verbindung mit Freunden und Bekannten wird verlorengehen und die alten Beziehungen, die mir viel Freude bereiteten, völlig erkalten werden. Einsam, wie ich hier bin, werde ich auch in der Heimat bleiben.
Vielleicht sehe ich da zu schwarz, doch ganz unberechtigt ist meine Sorge nicht.
Übrigens: als Sie mir davon schrieben, daß Sie ein Mozart-Clavichord restaurieren werden, dachte ich an jenes in Wien, erst nachträglich kam mir der Gedanke, daß es sich wohl um dasjenige in Salzburg handeln wird. Von diesem Instrument habe ich keine Ahnung, doch traue ich ihm nicht viel zu. Jedenfalls aber warte ich mit Spannung auf Ihren Bericht über die Reparatur.
Mit Wehmut denke ich daran, wie es sein wird, wenn alte, erfahrene Fachleute, wie etwa Hartmann oder Marx aussterben! Der Nachwuchs fehlt und wir, die wir die schnellsten Flugzeuge und die größten Kanonen bauen können, werden nicht imstande sein, ein einfaches Instrument zu reparieren. Unser Zeitalter des Stahls und des Betons versagt überall, wo handwerkliches Können und Erfahrung verlangt wird.
Was hört man sonst Neues in Clavichorden? Ich glaube, daß jetzt im Krieg alles eingeschlafen ist.
Leben Sie wohl, lieber Herr Doktor, seien Sie nochmals herzlichst gedankt und gegrüßt von // Ihrem getreuen // AKreutz".