"Lieber, sehr verehrter Herr Doktor,
vielen Dank für Ihren lieben Brief v. 9.12.41.
Was Sie mir über das Tischclavichord [möglicherweise Salzburg, Kat.-Nr. 45] schreiben ist natürlich ungenügend, um Ihnen irgendeinen Rat geben zu können. Wenn die versprochenen Photos vom Resonanzboden ankommen, kann ich Ihnen vielleicht sagen, ob der bürgerliche Büchsenmacher sich bei der Reparatur an das Original hielt, oder nach seinem Gutdünken verfuhr.
Auf alle Fälle würde ich die Decke nicht stärker als 2,5 mm. nehmen, denn das war um 1720-40 die üblich Stärke; besonders bei einem so kleinen Instrument, wie das Salzburger Tischclavichord würde eine stärkere Decke schlecht klingen. Die Decke, die der Büchsenmacher Gitzl machte (2,6-3,2 mm) ist zu plump. Die unregelmäßige Stärke ist allein schon ein Beweis für eine Unzuverlässigkeit.
Wenn ich die Photos sehe und mir ungefähr die Dimensionen der Decke verstellen kann, würde ich Ihnen auch sagen können, ob Sie für die Decke ein sehr engjähriges Holz nehmen müssen, oder nicht.
Noch eine wichtige Frage: Bei der Spielbarmachung der alten Clavichorde ist die Beseitigung der Nebengeräusche der Mechanik sehr wichtig, denn sonst ist das Spielen kein Vergnügen.
Das Salzburger Instrument wird wohl die übliche Kammführung haben. Was für Zungen hat es am Ende der Tastenhebel? (Zungen laufen in den Scheiden der Kammführung). Sind sie aus Fischbein?
Ich will Ihnen gleich erklären, warum man für die Zungen Fischbein nahm und nur bei einfacheren Instrumenten sich mit Metall- oder Holzzungen begnügte. Das Fischbein wurde nicht seiner Elastizität wegen benutzt (wie bei den Reifröcken, bei denen das Fischbein geschätzt wurde, weil es nicht rostete wie die Stahlreifen).
Für die Zungen spaltete man das Fischbein und glättete es nicht. Dadurch war die Oberfläche der Zungen nicht glatt sondern sah stark vergrößert so aus: [Skizzen siehe Digitalisat] In die Rillen, die sich beim Spalten bildeten kam Wachs herein, mit dem man die Zungen einschmierte, damit sie in den Scheiden besser gleiten. Noch stärker vergrößert sah dan[n] die Zunge so aus: d.h. zwischen den Rillen setzte sich das Wachs und wurde durch sie festgehalten. Dadurch gleiteten die Zungen sehr gut und ohne Geräusche in den Scheiden.
Die Zusammensetzung des Wachses, mit dem sie eingerieben wurden, weiß ich nicht. Es wird kaum ein gewöhnlicher Bienenwachs gewesen sein, da er nicht genügend gleitet. Heute könnte man dazu eine Stearin- oder Parafin-Kerze nehmen, oder ähnliches Material, das gleitfähig ist.
Da wir heute kein Fischbein mehr haben, könnte man die Zungen auch aus gespaltenem (doch nicht geglätteten) Bambusholz machen. Direkt unter der äußeren Rinde ist das Bambusholz zu hart und zu glatt, man müsste also die äußere glatte Rinde entfernen und die Stücke etwa so herausspalten (ja nicht herausschneiden): [Skizze siehe Digitalisat]
Ach, es ist so schade, daß ich nicht bei der Reparatur sein kann. Mit aller meiner Weisheit, die ich durch langjährige fleißige Arbeit erworben habe, sitze ich hier in einer Wüste, von dem nächsten Clavichord vielleicht tausend Kilometer weit entfern!
Leben Sie wohl, lieber Herr Doktor, bleiben Sie gesund, damit wir uns noch lange Jahre nach diesem schrecklichen Krieg über Clavichorde unterhalten können. Was mich anbelangt, so ist meine Gesundheit in Gottes Hand, denn pflegen kann ich mich gar nicht.
Mit vielen herzlichen Grüßen bin ich // Ihr alter // AKreutz
Ich habe Ihnen etwas Speck geschickt, den ich mit List und Tücke aufgetrieben habe, denn er ist sehr rar geworden, nachdem die Lebensmittel rationiert sind."