NL Rück, I, C-0482c

"Lieber Herr Doktor,

herzlichen Dank für Ihren Brief und das Photo, das ich anbei zurückschicke.

Das Ornament in der Mitte der Silbermann-Rosette ist nicht als eine Kombinntion von drei verschlungenen S zu deuten, sondern ist eine Figur, die in der Gotik sehr oft wiederkehrt. Es gibt kaum ein rundes Kirchenfenster, in dem diese Figur fehlen würde. Mit dem Namen 'Silbermann' hat dieses Ornament also nichts zu tun, umsomehr als das Zentrum der Figur besonders hervorgehoben ist und dadurch das vermeintliche S in zwei Teile zerstückelt.

Somit ist diese Figur eher gleich einem Rad mit drei gekrümmten Speichen, wie man sie heute noch bei eisernen Kurbelrädern der Maschinen findet.

Fragen Sie Kinsky, ob er das Silbermann-Clavichord von Ph. E. Bach nur aus Beschreibungen kennt (die ich auch alle studiert habe), oder ob er seine Spuren weiter verfolgen konnte.

Ihre neuen Clavichorde habe ich in der Mittelstandshilfe gemessen. Das eine ist uninteressant, dagegen das andere mit der kurzen Oktave ist dadurch höchst merkwürdig, weil es sehr lange Tasten hat (Obertasten 8,5 cm, Untertasten 11,8 cm!).

Nach der Theorie von Sachs sollte dieses Instrument also mindestens in den Anfang des 19. Jahrhunderts fallen. In Wirklichkeit stammt es wahrscheinlich aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Daraus sieht man, auf welch schwachen
Füßen alle Theorien stehen. Man darf sie eben nur als Anhaltspunkte betrachten, nicht aber zu Gesetzen erheben, wie es Sachs getan hat.

Herzliche Grüße // [handschriftlich] Ihr AKreutz".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1941,05,18
Schreibort
Stuttgart
Erwähnte Objekte
Bundfreies Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Literaturreferenz
Sachs 1922