"Sehr geehrter Herr Dr. Kinsky!
Noch immer seit jetzt drei Jahren liegt Ihr letzter Brief an mich unerledigt bei mir, in welchem Sie mir aus Köln noch mitteilten - ich hatte Sie um Separata Ihrer diversen Veröffentlichungen für Geld und gute Worte gebeten - , dass Ihre Bücher in Kisten verstaut wären und Sie derzeit nicht dazu könnten. Weitere Mitteilungen [nicht im NL Rück erhalten] meinerseits nach Köln kamen zweimal unbestellbar zurück. Jetzt erst erfahre ich durch die neu zu gründende Gesellschaft für Deutsche Musikwissenschaft Ihre Adresse und gerade gestern Abend hörte ich in Erlangen einiges über die sehr schweren Jahre, die Sie in Köln noch durchmachen mussten.
Vor allem möchte ich mich nach Ihrem Befinden und auch Ihrer Frau [Wilhelmine Kinsky] erkundigen, dann auch über Ihren derzeitigen Wirkungskreis.
Von mir kann ich nicht durchweg Erfreuliches berichten: meine drei Geschäftshäuser brannten innen völlig aus am 10./11.8.43 bezw. 16.3.45. Meine Sammlung [Rück] war zum allergrössten Teil verlagert gewesen. Die erste Garnitur ist jetzt zurückgekehrt und steht unter der Obhut des Erlanger Musikwissenschaftl. Instituts, Prof. Dr. [Rudolf] Steglich, in der Universität Erlangen. Allerdings stehen mir dort vorerst nur 130 qm zur Verfügung, sodass eigentlich nur die Tasteninstrumente und diese z.T. nur aufgestellt werden können. Immerhin bin ich schon für diesen Raum recht dankbar gewesen, denn ich musste buchstäblich hausieren gehen in Franken, um überhaupt eine Unterkunft für meine Sammlung zu finden!
Leider ist meine Fachbibliothek völlig vernichtet worden bis auf ganz Weniges und so wäre ich Ihnen für Ihre altbewährte Hilfe bei der Wiederbeschaffung schon recht dankbar. Ich bitte Sie um allfällige Angebote herzlich. Wenn ich Ihnen eine Gefälligkeit erweisen kann und diese in meiner Macht steht, will ich natürlich auch Ihnen gerne helfen.
Zu meinem Bedauern bin ich über das Schicksal der Instrumentensammlungen in Deutschland nicht im Bilde und würde mich recht dafür interessieren. Von der Berliner Sammlung [Musikinstrumenten-Museum] sagt man, sie sei bis auf einen Torso von etwa 2[0]0 Instrumenten völlig vernichtet. Die Leipziger Sammlung [Musikinstrumentensammlung der Universität] soll alle Streichinstrumente und vieles andere eingebüsst haben. Die Breslauer dürfte völlig verloren sein, was aus Braunschweig [Städtisches Museum], Hamburg, Frankfurt [Historisches Museum], Stuttgart [Württembergisches Landesmuseum] geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Sammlung des Deutschen Museum [München] soll im wesentlichen erhalten geblieben sein.
Unser gemeinsamer Bekannter [Otto] Marx lebt noch und arbeitet ausschliesslich für mich, worüber ich sehr glücklich bin. Denn seine Restaurierungskunst ist einmalig und wird leider auch für die Zukunft unersetzbar bleiben, weil jeglicher Nachwuchs an Restauratoren fehlt. Sollten Sie diesbezüglich von einer Kraft hören, wäre ich dankbar.
Mein alter Freund Hartmann-Berlin schied ja auch aus dem Leben und sein Kollege [Martin] Scholz führt heute das Geschäft von Ammer in Eisenberg.
Dies wären so einige fachliche Nachrichten.
Persönlich machte ich sehr viel durch: ich erkrankte im April 45 an einer sehr schweren nervösen Darmerkrankung, war dann von Oktober 45 - Pfingsten 46 im Krankenhaus, wo ich dank der Hilfe des dortigen Prof. Bingold wieder halbwegs hergestellt wurde, aber noch heute unter ständiger ärztlicher Beobachtung stehe. Ich war bis auf 55 Kilo gleich einem KZler abgemagert und habe jetzt noch trotz Krankenzulagen an 15 kg Untergewicht.
Es wird mich freuen, Ihre Nachrichten ausführlich und bald zu erhalten. Indessen begrüsse ich Sie [aufs beste in alter Verbundenheit.]"