"Sehr geehrter Herr Dr. Rück!
Nach 3 1/2 wöchiger Abwesenheit sitze ich nach unserem schweren Schicksalsschlag wieder in unserem Arbeitszimmer, aber allein! Es ist sehr schwer; alles erinnert an gemeinsame Arbeit; an gemeinsames Erleben. Sie, sehr geehrter Herr Dr. Rück, haben meinen lb. Mann [Georg Kinsky] damals auf der Durchreise nach der Schweiz so liebevoll betreut, und er hat das versucht gut zu machen, indem er Ihnen auch gefällig war. Sicher haben Sie, als er so angeregt mit Ihnen plauderte auch nicht gedacht, dass er 1 1/2 Jahr später mitten aus den Schlussarbeiten seines Beethoven-Katalogs [Kinsky 1955] durch ein unerbittliches Schicksal herausgerissen werden sollte. Diese Schweizer Reise legte ja damals die Grundlage zur Wiederaufnahme der grossen Arbeit. Ich war auch ein bisschen stolz, wenn er mir sagte: 'Du hast auch ein gut Teil dazu beigetragen, dass ich den Mut noch einmal dazu aufbrachte, Du hast mir alle Alltagssorgen fern gehalten und getreulich bei der umfangreichen Korrespondenz geholfen.' Und nun sollte er das Erscheinen dieses, seines Sorgenkindes nicht mehr erleben. Sein Herz hat in den schweren Nazijahren doch mehr gelitten, als man annehmen konnte, er hatte nur in den letzten Monaten unter etwas Luftmangel beim laufen zu leiden. Leider haben die behandelnden Aerzte nicht gleich die richtigen Medikamente angewendet, (richtige Herzmittel); vielleicht hätte der schwere Schlaganfall vom 28.3. vermieden oder wenigstens etwas hinausgeschoben werden können. Furchtbare 8 Tage für uns beide, als mein lb. Mann rechtsseitig gelähmt ohne Sprache sich wie ein wildes Tier aufbäumte. Er war ja wie krank und konnte sich mit dieser Hilflosigkeit nicht abfinden. Am 5.4. bei einem meiner nur kurz gestatteten Besuche hatte ich das Empfinden, dass die Lähmung etwas zurückgegangen war, er war ruhiger und hatte ganz gut gegessen. Nur meine Besuche regten ihn auf; (ich durfte immer nur einige Minuten bleiben) so viel wollte er mir sagen, und ich konnte ihn nicht verstehen. Sicher hatte er das Empfinden, dass ich das erste Mal hart in unserer überaus glücklichen Ehe zu ihm war, weil ich ihn so allein liess in seiner Not. Selbst herzkrank, regten mich diese Besuche auch sehr auf, und ich glaube nicht, dass ich ihn hätte lange pflegen können, wenn die Lähmung lange gedauert hätte. Am 6.4. kam dann die gefürchtete vielleicht aber auch erlösende Lungenentzündung hinzu, letzteres ist mein einziger Trost.
Herr Dr. [Hans] Halm, München wird als einzige berufene Persönlichkeit die Schlussarbeiten zu dem Katalog vornehmen; so manche freie Stunde hat er seinem wertvollen Pflegekind schon geopfert und wird es auch weiter tun. Er kennt am besten die Finessen des Manuskripts und weiss, dass die Wissenschaft sehr auf das Erscheinen des Werkes wartet. Möge alles im Sinne meines lb. Mannes auf das Beste gelingen.
Als letzten Gruss lege ich die Traueranzeige bei. Es war eine stille, gediegene Feier mit dem wir meinem lb. Mann das letzte Geleit gaben. Herr Dr. Krüger-Rilbow von der 'Öff. Wiss. Bibliothek, Berlin' [heute Staatsbibliothek] fand so herzliche anerkennende Worte für den gütigen Menschen und allseits anerkannten Wissenschaftler.
Indem ich Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, für Ihre Gesundheit das Beste wünsche, grüsse ich Sie // hochachtungsvoll // Ihre // Margarete Kinsky."
Todesanzeige.
"Am 7. April 1951 verschied nach kurzem, schweren Leiden kurz vor Vollendung seines letzten großen Lebenswerkes mein lieber herzensguter Mann, unser lieber Bruder, Schwager und Onkel, der
Privatgelegte und Musikhistoriker // Dr. phil. Georg Kinsky // im Alter von 68 Jahren.
In tiefer Trauer // im Namen der Hinterbliebenen // Margarete Kinsky geb. Weber
Berlin-Mahlsdorf // Hamburger Straße 5
Die Trauerfeier findet am Freitag, den 13. April 1951, um 15 Uhr, im Krematorium Baumschulenweg, Kiefholzstraße, statt".