NL Rück, I, C-0444f

Margarete Kinsky schreibt aus "Berlin-Mahlsdorf".

 

"Sehr geehrter Herr Dr. Dr. Rück!

Ein kleines Mißverständnis, das ich so schnell wie möglich aufklären möchte, veranlaßt mich heute direkt an Sie zu schreiben. Ich bat Herrn [Otto] Krause, gelegentlich bei Ihnen anzufragen, ob ich die Filme Ihrer Fotokopien Herrn Krause übermitteln oder an Sie senden solle, da ich mir dachte, Sie könnten dort noch weitere Abzüge davon machen lassen. Meine Freunde in Berlin-Zehlendorf, welche auf meine Veranlassung wegen eines eventuellen Flügelverkaufs mit Herrn Krause verhandelten, sagten mir nun, daß Herr Krause Ihnen diese Filme zum Kauf anbieten wolle. Das ist natürlich ein großer Irrtum, die Filme gehören Ihnen und stehen Ihnen selbstverständlich kostenlos zur Verfügung. Ich weiß zwar nicht, ob es in diesen Fotokopieranstalten immer üblich ist, diese Filme dem Besteller auszuhändigen oder ob mein lieber Mann als alter, guter Kunde nur diesen Vorzug hatte. Sicherlich werde ich mich wohl nicht strafbar machen, wenn ich dieselben an Sie weitergeben, denn zum vernichten waren sie mir doch zu wertvoll.

Bei dieser Gelegenheit, sehr geehrter Herr Doktor, möchte ich noch einmal auf Ihren mir damals aus Italien gesandten Brief vom 15. Mai zurückkommen, in welchem Sie mir in so überaus herzlicher Weise Ihre Anteilnahme zu meinem schweren Schicksalsschlag aussprachen und auch weiteres über mein Ergehen und die Vollendung des Lebenswerkes [Kinsky 1955] meines lieben Mannes hören wollten. Herr Dr. [Hans] Halm bemüht sich in einer rührenden Weise, dieses Werk im Sinne seines Schöpfers so schnell als möglich fertigzustellen. Wie er mir kürzlich schrieb, war es nicht leicht, die Abkürzungen und vielen Bemerkungen, die in dem ersten sogenannten Schmiermanuskript oft sehr undeutlich hingeworfen wurden, richtig zu deuten. Viele Urlaubs- und freie Stunden mußten dazu geopfert werden, aber jetzt schreitet die Arbeit langsam aber sicher vorwärts. Ich werde Herrn Dr. Halm dafür immer zu großem Dank verpflichtet sein, und auch die Wissenschaft wird diesen letzten Freundschaftsdienst Dr. Kinsky gegenüber in hohem Maße anerkennen. War es doch immer wieder Dr. Halm der meinnem lieben Mann alle Wege geebnet hat, die so aussichtslos scheinende große Arbeit noch einmal zu beginnen. Wie tragisch war es doch, daß er so kurz vor ihrer Vollendung die Feder aus der Hand legen mußte und nicht einmal mehr die notwendigsten Anweisungen dafür geben konnte. Nachdem ich heute etwas ruhiger geworden bin, möchte ich aber doch dem Schicksal danken, das ihn vor einem längeren Siechtum bewahrt hat. Ich fürchte, auch politisch hätte mein lieber Mann sich nicht mehr lange so absondern können und das hätte ihn bei seiner Einstellung sehr unfrei und nervös gemacht. Für mich ist sein plötzliches Ableben nicht nur persönlich sondern auch pekuniär ein schwerer Schlag gewesen.Aber ich hoffe mich im Winter gesundheitlich noch etwas zu erholen, vielleicht kann ich mir zum Frühjahr noch eine kleine Erholungsreise leisten und dann eine leichte Bürostellung annehmen. Hoffentlich hat sich inzwischen das Aktivistentempo der DDR etwas gemäßigt, dem ich mich wirklich nicht mehr gewachsen fühle. Seit dem 1. September bewohne ich eine kleine vor allem gesunde, sonnige Wohnung, die ich mir gemütlich nach meinem Geschmack eingerichtet habe. Im übrigen muß ich es der Zeit überlassen, die ja alle Wunden heilen soll.

Auch Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor, gesundheitlich alles gute wünschend, grüße ich Sie herzlich // Ihre // [handschr.] Margarete Kinsky

[P].S. Vielleicht ist das einliegende Foto [nicht erhalten] nebst Korrespondenz interessant für Sie. - Aus Vorsicht schreibe ich alle Korrespondenz nach dem Westen über West-Berlin und erbitte [a]uch Ihre Antwort entweder durch Herrn Krause oder direkt durch [di]e Post an meine Zehlendorfer-Adresse. Nochmals grüssend // Ihre // M. Kinsky".

 

Auf der Rückseite, maschinenschr.:

"beantwortet aus BAdgastein [sic] 18.10.51, sie möge Filme senden evtl. über Krause und mitteilen, wann und wo Buch von Kinsky erscheinen wird. Dank für Material über Gebaur.

Dr.R. [Ulrich Rück]"

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1951,09,24
Schreibort
Berlin
erwähnte Personen
Literaturreferenz
Kinsky 1955