Rück schreibt aus Bozen "Hotel Luna".
"Sehr geehrte Frau Dr. Kinsky!
Die Mitteilung des Herrn [Otto] Krause von dem schweren Leiden, das Ihren lieben Mann [Georg Kinsky] heimtückisch überfallen liess mir leider wenig Gutes erwarten: es ist eingetreten, und unser lieber und verehrter Dr. Kinsky weilt nicht mehr unter uns. Ich verliere in Ihrem teuren Entschlafenen einen allzeit hilfsbereiten Freund und Berater, die Musikwissenschaft einen Fachmann von internationalem Namen, und Sie den lieben Gatten, den Lebensgefährten, den guten Kameraden, mit dem Sie Arbeit, Freud und Leid in den Jahren Ihres Zusammenseins so redlich und liebevoll geteilt haben. Die Schilderung seiner letzten Leidentage, die Sie mir mit Ihrem Briefe vom 3. Mai geben, hat mich sehr erschüttert. Ja, ich kenne diese Leidenstage, mein lieber Vater [Wilhelm Rück] hat sie auch in reichem Maasse durchmachen müssen. Es ist schauerlich, wenn man helfen möchte und nicht helfen kann. So haben Sie wohl recht, dass die Erlösung durch die Pneumonie für unseren lieben Doktor vom Himmel gesandt gekommen... Denn eine Gesundung war nicht mehr zu erwarten. Ich fühle ganz mit Ihnen:
Bitte nehmen Sie auf diesem zwar formlosen Wege aber desto trotz nicht weniger mitfühlend meine ganz aufrichtige Teilnahme am Hinscheiden Ihres lieben Mannes hiermit entgegen!
Ich werde Ihrem teuren Verblichenen stets in meinem Herzen ein liebes Angedenken bewahren. Sind wir doch über 20 Jahre persönlich und brieflich enge verbunden gewesen. Sein letzter Besuch in Nürnberg war gemeinsamen alten und lieben Erinnerungen gewidmet. Wie staunten wir über sein Gedächtnis, und wir freuten uns, ihm einige liebe Stunden in meinem neu erstadenen Heime bereiten zu können. Dass wir uns beim Abschied letztmals die Hände drücken würden hätte ich allerdings nicht geahnt.
Möge Sie der Allmächtige in Ihrem Schmerze trösten: ich weiss, in solchen Lagen vermögen Menschenworte gar wenig zu sagen. Aber seien Sie überzeugt, wer Ihren lieben Mann kannte, und weiss, was ihm in den schweren Nazijahren beschieden war, der freute sich, dass seine letzten Lebensjahre durch Ihre Güte ihm noch verschönert wurden. Und das möge Ihnen Trost sein.
Lassen Sie bitte gelegentlich einmal wieder hören, wie es Ihnen ergeht. Für die Vollendung seines Lebenswerkes [Kinsky 1955] durch Dr. [Hans] Halm wünschen wir volles Gelingen, ich und mein Haus [Pianohaus Rück]. Auch darüber wieder zu hören, wird mir eine Freude sein.
Ich drücke Jhnen mit stillem Grusse die Hand und verbleibe indessen // Ihr // aufrichtig ergebener".