"Besprechung zwischen Prof. Stäblein und Dr. Rück
Stäblein ersucht Ostersamstag um eine persönliche Besprechung mit Dr. Rück, die heute zwischen 17 1/2 und 18 1/2 Uhr in der Diele stattfand.
Stäblein unterbreitet Dr. Rück folgende von ihm ausgeheckte Pläne:
Stäblein arbeitet seit 30 Jahren eng zusammen mit Prof. Blume, früher Universität Kiel, der ihm über die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft mehrfach Gelder für seine Studienreisen in seinem Arbeitsgebiet, mittelalterliche Musik und Notation, verschaffte.
Stäblein bekam vor kurzem Besuch von dem Dozenten Dr. Senn, Innsbruck. Ohne Dr. Rück vorher zu informieren, besprach er mit Senn folgendes:
Stäblein will mit Unterstützung von Blume von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft einen größeren Betrag freibekommen, um eine musikwissenschaftliche Arbeit über die Sammlung Rück zu starten. Diese Arbeit soll kein Katalog werden. Da die Notgemeinschaft Gelder nur an Universitätsinstitute und wissenschaftliche Forschungsanstalten, nicht aber an Private, bewilligt, würde pro forma diese zu startende Arbeit unter dem Namen des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Erlangen, also Stäbleins, segeln. Von den bewilligten Geldern würde Stäblein privat Dr. Senn bezahlen, der angeblich ein großer Instrumentenkundler sei, wovon Rück bis jetzt nichts bekannt ist. Dr. Rück weiß nur, daß sich Senn intensiv mit Geigenforschung befasste und die historischen Instrumente im Museum Ferdinandeum, eine kleine Zahl, betreute.
Dr. Senn hoffte, die Professur für Musikwissenschaft an der Universität Innsbruck zu bekommen, er stand aber schlecht mit dem inzwischen pensionierten Ordinarius, Prof. Fischer, und vertrug sich mit ihm nicht. Fischer arrangierte dann, daß der andere Privatdozent, Dr. Zingerle, die Professur bekam. Nun sitzt Dr. Senn auf dem Trockenen und nimmt an, daß die Universitätslaufbahn für ihn damit versperrt sei. Er äußerte Dr. Rück gegenüber, sich in Bregenz um die Stelle des Direktors an einer dortigen höheren Schule zu bewerben. Dr. Senn ist eigentlich Mittelschullehrer und war bis 1939 Musiklehrer an der Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck.
Stäblein besprach diesen Plan schon mit Blume, der sich bei der Notgemeinschaft dafür einsetzen will und wollte die Zustimmung von Dr. Rück sofort haben.
Dr. R. erwiderte, daß er bereits mit der Stadt Nürnberg in ernsthaften Verhandlungen stehe und daß er eine Rente oder einen finanziellen Zuschuß für seine eigene Arbeit von der Stadt bekommen möchte auf Lebensdauer, wogegen der größte Teil der Sammlung als Stiftung nach dem Tode von Dr. Rück an die Stadt überginge. Weiter erwähnte Dr. Rück, daß die Stadt einen Musikwissenschaftler und einen Restaurator anstellen will. Aus diesem Grunde müsse Dr. Rück die Angelegenheit mit Staudt besprechen.
Stäblein erwähnte, der Stadt könnte es doch nur recht sein, wenn sie umsonst eine derartig dickleibige Arbeit über die Sammlung bekäme. Dr. Rück erwidert, daß er schon allerhand Material und Expertisen über Instrumente der Sammlung ausgearbeitet habe und Stäblein meinte naiv, diese wären dann an Senn zu übergeben!! Auch müsste Dr. Rück Senn unterstützen.
Dr. Rück erwidert, er könne weder ja noch nein zu dem Stäbleinschen Plan sagen, gehe übrigens jetzt auf zwei Monate in Urlaub und werde sich die Sache reichlich durch den Kopf gehen lassen. Stäblein wollte voreilig nach Bonn fahren, woselbst der Kurator der Notgemeinschaft sitzt, den Stäblein auch kennt. Es sei übrigens noch nicht sicher, ob Stäblein Senn diesen Auftrag zuschanzen könne, da Senn ja Österreicher sei, aber er meint, 99 % Sicherheit dafür zu haben.
Meinung Dr. Rück zu diesem Plan:
1. Stäblein will sich mit dieser Veröffentlichung einen Namen machen, ohne selbst irgendetwas beizutragen.
2. Dr. Senn ist mir [sic!] Vorsicht zu genießen, da er sich sowohl mit seinem Chef, Prof. Fischer, als auch mit Schurich und der Stiftung Mozarteum vollkommen überworfen hat.
3. Dr. R. ist keinesfalls gewillt, seine eigenen Arbeiten zu einem Sammlungskatalog einem Dritten zu überlassen und findet diese Zumutung von Stäblein gelinde gesagt grotesk.
4. Im Winter kann im Depot nicht gearbeitet werden. Senn würde zwischen Innsbruck und Nürnberg bzw. Erlangen hin- und herpendeln und würde ständig die Unterstützung brauchen, mit anderen Worten, die Hauptarbeit müsste Dr. Rück dort machen, wozu er keinerlei Lust hat, wenn zwei andere dafür bezahlt werden bzw. die Lorbeeren einstecken.
5. Über Tasteninstrumente dürfte Dr. Senn sehr wenig Erfahrung besitzen. Diese Abteilung müsste Dr. Rück weiter bearbeiten, da darüber schon allerhand Vorarbeiten vorliegen. Senn könnte eventuell die Streichinstrumente bearbeiten. Für Holz- und Blechblasinstrumente ist die Zuziehung eines erfahrenen Instrumentemachers unbedingt notwendig, denn darüber liegen bereits umfangreiche Erfahrungen aus der Heyer-Sammlung vor: Dr. Kinsky bearbeitete diesen Band. Die Arbeit war nicht zu gebrauchen, so daß dieser Katalogband bis heute nicht erschien.
Auch die Exoten müsste Dr. Rück bearbeiten, womit er bereits begonnen hat.
Im übrigen steht Dr. Rück auf dem Standpunkt, daß vorerst ein Katalog vordringlich ist. Musikwissenschaftlich liegen ja schon Arbeiten von Steglich vor, die ausgebaut werden könnten und es geht absolut nicht an, Steglich ausbooten zu wollen.
Dr. Rück steht weiter auf dem Standpunkt, daß, wenn wirklich musikwissenschaftliche Arbeiten aus Sammlungsgegenständen gestartet werden sollen, dies Sache des künftigen musikwissenschaftlichen Leiters der Sammlung wäre, dem man nicht vorgreifen kann.
Dr. Rück hat das Gefühl, das sich Stäblein in eine Sache einschaltet, die noch in keiner Weise spruchreif ist und wozu er nicht legitimiert ist."