NL Rück, I, C-0188

"Abtransport der Musikinstrumenten-Sammlung hat schon begonnen

Das klingende Museum geht

In Bodenräumen der Nürnberger Mauthalle werden die rund 1300 Instrumente zunächst gelagert - Viele besuchten im Laufe von zehn Jahren die Sammlung im Kollegienhaus

Erlangen ist wieder einmal um einen kulturellen Anziehungspunkt ärmer geworden: die historische Musikinstrumentensammlung, die rund ein Jahrzehnt lang im Dachgeschoß des Kollegienhauses untergebracht war, trit den Weg nach Nürnberg an. Sie soll dort einstmals in neuen Räumen aufgestellt werden; zunächst aber werden die wertvollen Instrumente im Dachboden der historischen Mauthalle am Hallplatz gelagert.

Nürnberg ist die ursprüngliche Heimat der "Rückschen Sammlung". Als jedoch in den letzten Kriegsjahren der Bombenkrieg immer heftiger wurde, entschloß man sich, die rund 1300 Musikinstrumente der verschiedensten Gattungen zu verlagern. In süddeutschen und österreichischen Schlössern überstanden sie relativ gut den zweiten Weltkrieg.

Bereits im Jahre 1946 ging man dann daran, die Instrumente wieder zurückzuführen. Da jedoch die Sammlungsräume in Nürnberg durch Bomben zerstört waren, war man froh, im Erlanger Kollegienhaus ein "Ausweichquartier" gefunden zu haben. Nach und nach konnten die Klaviere, die Streich- und Blasinstrumente aus alten zeiten und fernen Zonen wieder aufgestellt und teilweise sogar spielbar gemacht werden. Im Jahre 1949 wurden sie in beschränktem Umfange wieder der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das aus dem Jahre 1937 stammende Gästebuch, das nun in Erlangen fortgeführt wurde, weist klangvolle Namen auf. Es waren vor allem namhafte Pianisten, die sich vom Betreuer der Sammlung, Prof. Dr. Rudolf Steglich, durch die Räume führen und in den Klang der Instrumente einweihen ließen. "Daß selbst die Flügel Chopins, Schumanns und Schuberts solch zarter Behandlung bedürfen, wird mich unvergeßlich verfolgen", schrieb der bekannte schweizerische Pianist Adrian Aeschbacher unter dem 10. März 1952 in das Gästebuch.

Es ist unmöglich, alle Namen der prominenten Musiker und Musikwissenschaftler aufzuführen, die in den letzten zehn Jahren die Sammlung im Kollegienhaus besuchten. Aus allen Teilden der Bundesrepublik, aus Oesterreich, der Schweiz, Holland, Dänemark, England, Italien, den USA und Südamerika kamen die ausländischen Gäste. Sie alle äußerten sich begeistert über die musikalischen Eindrücke, die sie in den dunklen Bodenräumen des Kollegienhauses empfangen haben.

Denn Professor Steglich wollte nicht ein totes, sondern ein klingendes Museum betreuen. So lud er auch immer wieder Schulklassen ein und des öfteren kamen die Teilnehmer der Ausbildungslehrgänge der SSW, um den Klang der alten Instrumente zu erleben. In den letzten Jahren hielt Professor Steglich auch im Rahmen der Volkshochschule regelmäßige Vorführungen ab und schließlich fand auch ein Teil der Vorlesungen des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität in unmittelbarer Nachbarschaft der alten Instrumente statt. Da verging dann keine Stunde, in der sie nicht auch zum Klang erweckt worden wären.

Das ist nun alles zu Ende. Aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen mußte das Universitäts-Bauamt die Benützung der Bodenräume für Vorlesungen und Vorführungen verbieten. Die Stühle, auf denen rund 100 Hörer Platz gefunden hatten, wurden zunächst fortgeschafft und dann begann man auch mit dem Abtransport der Instrumente. Bis sie in Nürnberg wieder erklingen werden, werden nach Lage der Dinge viele Jahre vergehen.

Es ist ein kleiner Trost für Erlangen, daß der Besitzer der Sammlung rund 30 Instrumente der Universität als Leihgabe zur Verfügung stellen wird - eine kleine Geste des Dankes an Prof. Steglich und an die Studenten der Nachkriegsjahre, mit deren Hilfe damals die Instrumente aufgestellt und so gut wie möglich instand gesetzt wurden. Die Aufstellung dieser Leihgabe in einem Raum des Musikwissenschaftlichen Seminars im Schloßgebäude wird gegenwärtig vorbereitet. Als klingendes Museum werden dann auch diese wenigen Musikinstrumente wieder in den Dienst der Forschung und der Lehre gestellt werden."

Datum
1958,10,03
Schreibort
Erlangen
Literaturreferenz
Abtransport Musikinstrumentensammlung 1958