NL Rück, I, C-0873b

"Liebe Herren Rück!

Schönsten Dank für Ihren Brief, auch meine Gnädigste läßt sich für die Karte bedanken! Damit ich ja nichts vergesse, will ich versuchen, Punkt für Punkt Ihres Briefes nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.

Also: die Schriftleitung der neuen Zeitschrift trägt Gott sei Dank schon etwas, einige Kreuzerwecken - wenn auch nicht über mäßig viele - kann man sich schon dafür leisten. Der Leiter des neuen Reichsinstituts ist Max Seiffert in Berlin, der Sekretär Besseler in Heidelberg. B. kann natürlich auch sich mit Beiträge-schreiben usw. beteiligen, ist aber sonst nicht dabei, er ist nicht überall gut angeschrieben.

Meine Devisen sind immer noch nicht da! Daß ich die Fahrkartenhefte wieder zurückgereicht habe, ehe sie verfielen, schrieb ich Ihnen bereits. Inzwischen habe ich Nachricht bekommen, daß die Rückerstattung betrieben wird, aber einige Zeit brauchen wird. Was Boller & Familie betrifft, so dachte ich mich gelegentlich, vielleicht um Weihnachten oder Neujahr herum oder auch, wenn Sie es für besser halten, schon jetzt, mit einem der von mir selbst herausgegebenen Notenhefte vielleicht sozusagen herauszupauken - ich weiß allerdings nicht, ob die Töchter Klavier spielen?? Ich wollt es, so machen, daß ich gewissermaßen als vorläufige Stellvertretung, da ich selber noch nicht hinkommen konnte, so ein Heft übersende. Was meinen Sie dazu? Sie kennen ja die "Psyche" der Schwyzer besser als ich.

In diesem Semester lese ich über die Weihnachtsmusiken von Schütz, Bach und Händel sowie über Geschichte unseres Tonsystems. Das erste ist doch wohl auch ein zugkräftigeres Thema. Über Wagner habe sich erst im vorigen Jahr gelesen und Seminar gehalten. Nächsten Sommer kommt dann die Musik der deutschen Romantik dran. Ich glaube, daß das - zumal mit Hilfe Ihrer Romantikerflügel - auch einige Anziehungskraft haben wird.

Gebhard werde ich einmal interpellieren von wegen des Fränkischen Abends. Hoffentlich hat er das grobe volkstümliche Ei bereits gelegt!

Die S&S-Flügel-Angelegenheit [= Verkauf eines Flügels von Steinway & Sons] tritt jetzt mit Semesterbeginn in ihr akutes Stadium. Ich bemühe mich um möglichste Beschleunigung, soweit das bei der Vielheit der in Frage kommenden Instanzen möglich ist.

Die Schanzens sind eine ganze Klavierbauerfamilie. Der Alte, Wenzel Schanz, ist 1790 gestorben. Sein Bruder Johann Schanz hat das Geschäft fortgeführt. Ein Joseph Schanz taucht noch 1842 auf. Haydn hat den Wenzel Schanz ganz besonders geschätzt und ihn "als dermal besten Meister in diesem Fach" bezeichnet. In dem Schönfeldschen Jahrbuch der Tonkunst von 1796, aus dem ich Ihnen einmal die betreffende Stelle im Durchschlag überreicht habe - sie liegt in Ihrem Archiv-, werden die Klaviere des Johann Schanz als "bis zur Kopie gebrachte Nachahmung der Fortepiano des Künstlers Stein in Augsburg" bezeichnet. Ich kann augenblicklich nur zwei Schanz-Klaviere in heutigen Sammlungen nachweisen, und zwar stehen alle beide im Museum der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Das ältere und kleinere der beiden stammt aus Haydnschen Besitz. Es ist übrigens in Geiringers Haydnbiographie (Geiringer 1932b) abgebildet. So, das wäre das, was ich über Schanz zu melden hätte. Es wäre schon fein, wenn Sie noch ein solches Instrument bekämen!

Dupont ist noch nicht bei mir gewesen, Dagegen habe ich ihn kürzlich im Erlanger Autobus getroffen. Der Ärmste hat 1[?]00 [R]M für seine Dissertation bezahlt, wirklich bezahlt! Sobald er sich davon erholt hat, wird sich seine Schüchternheit im Ratenzahlen wohl wieder legen.

Sobald das Collegium musicum wieder losgegangen ist, werde ich beurteilen können, ob das im letzten Semester ins Wasser gefallenen Konzert mit dem Orgala [MIR1017] in kürzester Frist steigen kann. Ich hatte sonst noch für die zweite Novemberhälfte - in losen Zusammenhang mit dem "Tag der Hausmusik" aber nicht am selben Tage, an dem dessen sonstige Feiern sind eine "Schubertiade" geplant, mit dem Graf-Flügel [MIR1119], der Arpeggione-Sonate und Gesang. Für das Konzert mit dem Orgala würde Herr Dr. Behr übrigens wieder die Gambe benötigen, außerdem habe ich vor einigen Tagen mit einem früheren Schüler, der jetzt in Weißenburg Musik macht und dort am 5. Dezember Bach feiern will, verabredet, daß in dieser Feier Dr. Behr eine Bachsche Gambensonate spielt. Dazu wird er sich dann auch eine Ihrer Gamben erbitten. Falls sich Ihre Rückkunft doch - was wir nicht hoffen!! - noch länger hinauszieht, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Ihrem Nürnberger Hause Anweisung gaben, Herrn Dr. Behr eine Gambe mit Bogen zu überlassen, so bald er sie sich abholen möchte.

Die Exemplare des Bodkyschen Buches (Bodky 1932) sind eingetroffen und an Ort und Stelle abgeliefert.

Daß nun Becking einen seiner Schüler [Adalbert Heller], der wohl noch nicht gerade viel Kritikerpraxis hat, dem Kurier verschrieb, hat mir doch einigen Spaß gemacht. Na, ich muß natürlich abwarten, bis er einmal bei mir anschwirrt - ich kennen ihn noch gar nicht.
Dann will ich schon sehen, daß so eine Art "Arbeitsgemeinschaft" zustandekommt.

Bei uns ist es lausig naßkalt geworden. Da wird es Ihnen an der blauen Adria bedeutend besser gehen. Vielleicht schwimmen Sie gar noch fidel im Wasser herum - falls nicht etwa auch dort schon Minen gelegt sind von wegen der brenzlichen Situation. Hoffen wir aber das Beste!

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für ersprießliche Fortsetzung der Erholung // Ihr".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1935,10,27
Schreibort
Erlangen
Erwähnte Objekte
Orgelpositiv
Tasteninstrumente
erwähnt als
Konzert
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Konzert
erwähnt als
Leihgabe
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Sammlungsbestand
Leihgeber(in)
erwähnt im Zusammenhang
Sammlungsbestand
erwähnt im Zusammenhang
Mitarbeiter(in)
Literaturreferenz
Geiringer 1932b
Bodky 1932