[Handschriftl.] "Prof. Steglich."
"Die 'Kleine Nachtmusik', die es beim Gartenfest des NS-Lehrerbundes auf dem Platnersberg zu hören gab, war in Nürnberg wohl der erste Versuch einer Freiluftmusik in größerem Rahmen, für Tausende von Hörern, der sich nicht auf Chorlieder und die übliche Garten-Orchestermusik beschränkte. Warum soll man nicht auch bei einem solchem festlichen Zusammensein an einem schönen Sommerabend in herrlicher freier Natur, die für seelische Eindrücke erst recht empfänglich macht, Musik hören, die in früheren Zeiten auch im Freien zu Herz und Seele unserer Voreltern sprach, Musik, die gar nichts von Stubenluft an sich hat? Allerdings pflegten die alten Ständchen und Serenaden nicht gleich vor Tausenden musiziert zu werden. Soweit hatte ja auch der Klang einer Singstimme oder weniger Streichinstrumente gar nicht getragen. Heute aber, in der Zeit des Lautsprechers, ist die enge Schallgrenze überwunden. Die fortgeschrittene Technik sorgt dafür, daß der Klang trotz der Verstärkung nicht überlaut und damit verfälscht wird. Die Dämmerung des Abends und die Nachtdunkelheit unter den hohen Bäumen aber hilft mit, daß sich die Stärke des Erlebnisses in der großen Gemeinschaft dennoch verbindet mit der Innigkeit und Eindringlichkeit des persönlichen Musikerlebnisses.
So hörte man denn an diesem Abend außer den deutschen Volksliedern, die der Lehrergesangverein unter Demmers Leitung sorgsam ausgefeilt vortrug, Musik aus alter Zeit. Altfränkische Hirtenmusik und Bauerntänze aus dem 'Musikalischen Zeitvertreib' des Valentin Rathgeber, eines fränkischen Zeitgenossen Johann Sebastian Bachs, wurden lebendig in den herzhaften, lieblichen und fröhlichen Klängen einer alten Tragorgel [MIR1018], gespielt von Rudolf Steglich. Die ausgezeichnete Nürnberger Sängerin Henriette Klink-Schneider sang zur Begleitung von Streichinstrumenten und Cembalo Adam Kriegers tiefempfundenes Abendlied und, von jener kleinen Orgel begleitet, zwei heitere, lebenslustige Stücke aus der zweihundertjährigen 'Singenden Muse'. Dann folgeten Vorträge des Nürnberger Streichquartetts (Seby Horvath, Max Winter, Ludwig Schuster, Willy Kühne): zunächst etwas Altnürnbergisches, zwei Sätze aus der 'Musikalischen Ergötzung' des Sebaldusorganisten Johann Pachelbel, dann, und nach der Ansprache des Gauleiters, das Stück, das ihm selbst und wohl auch allen andern den tiefsten Eindruck von allen gemacht hat, Haydns Serenade in C Dur. Das ist eines jener seltenen Kunstwerke, die höchste Einfachheit mit höchstem Gehalt verbinden und daher wie die Stimme einer höheren Natur selbst zu uns sprechen. Es mußte denn auch später wiederholt werden, nachdem zuvor noch Herren des Klinkschen Kammerchors mit Mozarts 'Gestörtem Ständchen' eine mit viel Beifall aufgenommene heitere Gabe aus der klassischen Zeit der deutschen Musik dargebracht hatten.
Daß die Hörer von alledem den Eindruck eines besonderen musikalischen Eindruckes Erlebnisses mit nach Hause nahmen, das verdankten sie aber nicht zuletzt den wundervollen alten Instrumenten, die das Pianohaus Rück aus seiner reichhaltigen musikgeschichtlichen Sammlung für diesen Abend zur Verfügung gestellt hatte: außer jener 250 Jahr alten Orgel aus der Gegend von Tegernsee ein noch etwas älteres Generalbaß-Cembalo, eine von dem Meister [Johann Anton] Gedler in Füssen 1760 gebaute Violine [MIR822] und drei Instrumente - eine Violine [MIR813 oder 814], eine Bratsche [MIR831] und ein Violoncell [MIR840] des Meisters Leopold Widhalm, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Nürnberg lebte."