NL Rück, I, C-970e

"Sehr geehrter, lieber Herr RÜCK,

Vielen Dank für Ihren Brief vom 20. November und für die Übersendung des Kataloges zu der Münchner Ausstellung 'Alte Musik', von der ich schon gehört hatte! Eine musikalische Gesamtausstellung mit Musikinstrumenten, Autographen, Noten, Büchern und Kunstgegenständen zu arrangieren, ist eine Idee, die ich hoffe irgend einmal verwirklichen zu können. Wir hätten hier ja das prachtvollste Material, von den Ambraser Instrumenten bis zum Steinway, illuminierten Handschriften des Mittelalters bis zum Beethoven-Autograph, Graphiken von Dürer wie von den Modernsten, und die Musikdarstellungen unserer eigenen Galerie. Diese kommen allerdings ja auch in meiner ständigen Aufstellung hier in der Neuen Burg stark zur Geltung.

Einigermaßen in dieser Richtung liegt ja nun die Münchener Ausstellung, die zu sehen mich außerordentlich interessieren würde. Aus dem Katalog werde ich über die Anordnung der Dinge gar nicht klar, es gehen ja ständig die Instrumentengattungen durcheinander? Es ist schade, daß die Zeit der Ausstellung nur so kurz bemessen ist; vielleicht hätte sich doch bei Gelegenheit eines Salzburger Aufenthaltes einmal die Möglichkeit einer Fahrt nach München für mich ergeben. Tausend Dank für den Katalog!

Meine Reise nach Holland und Belgien war sehr arbeitsreich, aber sehr geglückt. Die Beschäftigung mit den burgundischen Herrlichkeiten aller Länder in den Ausstellungen in Amsterdam und Brüssel war an sich schon sehr fruchtbringend. Nebenbei habe ich den Musikinstrumentensammlungen im Haag und in Brüssel sehr eingehende Besuche gemacht. In Brüssel steht also das Schwesterinstrument unseres Shudi-Broadwood-Cembalos, das allerdings nicht entfernt so gut imstand ist wie unseres. Ein Jean-André-Stein-Flügel hat mich ganz besonders interessiert als Gegenstück zu dem Flügel, den Ihr Herr SCHOLZ restauriert hat, und den ich einige Tage später in der Schola Cantorum in Basel begrüßen konnte. Es ist ein Prachtstück! Interessant ist der Vergleich der Tonqualität mit unseren Walter-Flügeln: viel markiger, um nicht zu sagen härter, sehr präzis. Der gefühlvolle, charmante Beiklang der Walter-Flügel fehlt. Habe ich richtig gesehen, daß die Hämmer des Basler Stein unter der einfachen Lage Leder ein kleines Stückchen Leder an der oberen Seite untergelegt haben? In Brüssel sind die Hämmer nur mit einer einzigen Lederlage überzogen; das ist alt, ob aber original?? Klanglich kann man das Brüssler und Basler Instrument nicht vergleichen, da das Brüssler Stück zwar spielbar, aber nicht durchgreifend repariert ist. Ein besonderer Genuß war mir das Clavichordkonzert von Profesor Neumeyer, das ich in Basel miterlebte. Eine frühe Mozartsonate war geradezu eine Sensation. Der Abend hat mich selbst zum Clavichordspiel angeregt.

Nun zurück zu Ihrem Brief vom 20. November: selbstverständlich gebe ich mit Vergnügen die Reproduktionserlaubnis für unsere Photographie des Beethoven-Flügels an Professor Edwin FISCHER, auch im Namen des Linzer Landesmuseums. Linz muß allerdings neben dem Kunsthistorischen Museum als Inhaber genannt werden, so daß die ganze Beschriftung lautet: 'Kunsthistorisches Museum, Wien - Sammlung alter Musikinstrumente. Hammerflügel von Erard Freres, Paris, 1803. Aus dem Besitze Beethovens. - Leihgabe des Landesmuseums, Linz.' Weiter erbitte ich die freundliche Überlassung eines Exemplars der Fischer'schen Arbeit, sobald sie erschienen ist. Da ich Ihrem Brief entnehme, daß die Sache eilig ist, sende ich gleich (als Druckversion) ein Exemplar des Photos; mehr habe ich augenblicklich nicht an der Hand. Die Reproduktionserlaubnis habe ich darauf vermerkt.

Der Sendung schließe ich ein Intérieur aus dem einstmaligen Palais Pallavicini bei, das zwar weniger schön ist als das Ihnen sicherlich bekannte Bild aus dem Raum der Klaviere des 18. Jahrhunderts, das aber den jüngeren Walter-Flügel sehr deutlich zeigt. Nebenan steht der ältere Walter-Flügel. Ich habe beide Flügel im letzten Jahr um fünf Jahre zurückdatiert, da nun mit der Datierung von Dr. FIALAs Walter-Flügel, auf dessen Schild die Jahreszahl 1787 steht, neue Anhaltspunkte gegeben sind. Unser älterer Walter wäre also nun mit 'um 1785', der jüngere mit 'um 1795' zu bezeichnen. Vom älteren Flügel existiert die auf Tafel 3 meines Kataloges 'Saiteninstrumente' [Luithlen 1941] reproduzierte Photographie, von der ich Ihnen unschwer eine Kopie machen lassen kann. Der jüngere Flügel ist, merkwürdig genug, noch niemals für sich allein photographiert worden. Hieraus ersehen Sie, wie sehr wir mit der Zeit unserer Photographin und dem wahnsinnig teuren Material sparen müssen. Aber nun will ich versuchen, den Flügel schon aus Sammlungsinteresse photographieren zu lassen.

Im übrigen bin ich nun wiederum mit der Vorbereitung eines neuen Saales beschäftigt, der Holzblasinstrumente enthalten soll. Das wird dann der 5. Nachkriegssaal. Alle diese Säle sind freilich viel größer als im Palais Pallavicini! Es gibt bei uns also immer eine lebhafte Tätigkeit. Nehmen Sie, lieber Herr Doktor, für heute meine besten Wünsche und Grüße!

Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Victor Luithlen".

Mehrere Markierungen an diversen Abschnitten mit Bleistift [Ulrich Rück]; neben der Anrede der handschriftliche Vermerk: "Rf. 13.1251".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1951,11,27
Schreibort
Wien
Erwähnte Objekte
Cembalo zweimanualig
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Foto(s)
Literaturreferenz
Luithlen 1941