"Lieber, verehrter Herr Doktor!
Leider bekam ich auf meinen sehr ausführlichen Brief, den ich vor einigen Wochen an Sie direkt sandte und der Sie meiner Ansicht nach in wenigen Tagen erreicht haben müsste, bisher keinerlei Rückäusserung von Ihnen. Ich wäre Ihnen für erschöpfende Beantwortung seines reichen Inhalts sehr zu Dank verbunden, schneidet er doch viele uns gemeinsam berührende Fragen an.
Insbesondere benötige ich dringend die amtliche Bestätigung Ihrerseits, dass die Zahlung der rückständigen RM 6200.- mit Genehmigung der Österr. Nationalbank erfolgt ist. Ich brauche diese Bestätigung Ihrerseits unbedingt als Rückendeckung, falls bei mir Anfragen der Landeszentralbank oder damit zusammenhängend von der amerikan. Militärregierung erfolgen. Ich bitte Sie also nochmal sehr um diese Bestätigung, die ja an sich nur mehr eine reine Formsache ist.
Dank des Entgegenkommens der amerikan. Militärregierung Salzburg und der Österr. Ministerien für Finanz und Wirtschaft erhielt ich die Genehmigung zum Abtransport meiner noch in Österreich deponierten Mietklaviere, die vor wenigen Tagen in Salzburg in einem Waggon abgegangen sind, den ich in den nächsten Tagen erwarte. Leider ist ein schönes 'Laurenz Mayer'-Klavier in Pyramiden-Mahagoni ein Opfer des Krieges geworden. Es verschwand in Bischofshofen, wo es die Amerikaner auf eine Wiese zu einem Waldfest verbrachten und vierzehn Tage im Freien stehen liessen, dort auf unerklärliche Weise. Ich werde es wohl nie mehr wieder sehen.
Leider muss ich Ihnen eine sicher auch Sie betrübende Mitteilung machen: Professor T. Norlind vom Musikhist. Museum in Stockholm ist im vergangenen August nach kurzer Krankheit aus dem Leben geschieden. Damit ist wieder ein hervorragender Instrumentenkenner, der mit einem wahren Bienenfleiss arbeitete, der zahlreiche Publikationen veröffentlichte, von uns für immer gegangen. Ich verliere damit auch einen warmherzigen Freund, mit dem ich in angenehmster Verbindung stand. So wird leider das Häuflein der guten Instrumentenkenner immer weniger und vom Nachwuchs hört man bislang recht wenig. Die Museumsgeschäfte in Stockholm übernimmt Norlinds langjährige Mitarbeiterin Karin Tenggren, die schon seit einer Reihe von Jahren die rein musealen Arbeiten selbständig leitete. Sie plant auch die Herausgabe des noch fehlenden Bandes von Norlinds Systematik der Musikinstrumente, zu dem das Manuskript vollzählig bereits vorliegt, nur fehlen bisher die Geldmittel zur Herausgabe.
Falls Sie neue Publikationen über die Sammlung herausbringen, bäte ich Sie sehr, mir ein Exemplar zukommen zu lassen bezw. zurückzulegen, bis ein geregelter Handelsverkehr zwischen uns 'feindlichen Brüdern' wieder möglich ist.
Ich hoffe bald von Ihnen zu hören und begrüsse Sie inzwischen aufs herzlichste, Sie zugleich bittend, den Herren Professoren [Robert Maria] Haas, [Alfred] Orel und [Erich] Schenk meine besten Grüsse telefonisch zu übermitteln. Sehr würde mich interessieren, was Prof. Dvorak [Fritz Dworschak] jetzt eigentlich macht.
Damit wie immer Ihr"
Am oberen Blattrand angeschnitten: "[...] mit dem Vermerk auf der Rückseite des Couverts 'für Anny'".