"Sehr verehrter, lieber Herr Doktor!
Dieser Tage hätte ich nach Salzburg fahren sollen, und gehofft, Sie vielleicht irgendwie zu treffen! Nun ist meine Fahrt aber zumindest aufgeschoben, da Dr. FUHRMANN vom Museum Carolino-Augusteum selbst verreisen mußte, und erst nach dem 15. September wieder zurückkommt. Ich weiß nicht, ob es mir dann noch ausgehen wird, vor meiner geplanten Reise nach Holland und Belgien in Angelegenheiten der Burgundischen Ausstellung noch nach Salzburg zu kommen. Jedenfalls aber bin ich dankbar für ein Wort über Ihre Pläne! Herr Kommerzialrat BÖSMÜLLER erzählte mir, daß Sie im September nach Gastein kämen. Vielleicht ist dann doch wieder ein Zusammentreffen möglich.
Nun zu Ihrem Brief vom 16. Juli, den ich ja bisher nur mit einigen kurzen Zeilen beantworten konnte.
Die Disposition des Cembalos Shudi-Broadwood habe ich Ihnen auf einem beiliegenden Blatt ./. aufgezeichnet. Die Dockenreihen werden durch Handzüge eingeschaltet, und zwar - was ich immer verwirrend finde - teils durch Hineindrücken des Registerknopfes, teils durch Herausziehen. Die Registerzüge 1-5 (in Wirklichkeit tragen sie keine Bezeichnung) sitzen in der Vorderwand oberhalb der Tasten; der 'Machine-stop' [handschriftliche Fußnote: "Bezeichnung nach Hipkins"] 6 ist in der linken Seitenwand angebracht. Durch das Niedertreten des linken Pedals wird die durch 6 eingeschaltete Registrierung auf die in der Tabelle angegebene Weise verändert. Das rechte Pedal bedient den Jalousieschweller zum Öffnen und Schließen. Koppelung ist keine vorhanden. Tastenumfang C1 - f3. Gesamtbreite der Klaviatur fast genau 90 cm, Breite einer weißen Taste 2 cm. Maß von Anfang c bis Ende h derselben Oktave 16 cm.
Ein dem unseren fast gleiches Instrument ist beschrieben in Hipkins [handschriftliche Fußnote; s.o.] Musical Instruments. Historic, Rare and Unique Edinburgh, 1888, Seite 69f und Tafel XXXV [Hipkins 1888]. Es ist dort als 'The Emperess Harpsichord', 1773 für Kaiserin Maria Theresia erbaut bezeichnet. Im Jahre 1900 wird es als Nr. 1604 des Brüsseler Musée Instrumental im 3. Band von Mahillon's Katalog (ohne Abbildung) beschrieben [Mahillon 1900]. Ich hoffe, demnächst in Brüssel das Instrument, das mich natürlich außerordentlich interessiert, sehen zu können.
Von Conrad GRAF verwahren wir nun insgesamt ein Tafelklavier und fünf Flügel, und zwar:
1) Inv. Nr. 396 (Erzherzogin Sophie), Fabriks-Nr. 423
2) Inv.Nr. 8959 (einfach), [Fabriks-Nr.] 1004
3) Inv.Nr. 570 (einfach), [Fabriks-Nr.] 1444
4) Gesellschaft d. Musikfr. 16 (Schumann) " 2616
5) Inv.Nr. 593 (Prachtausführung) [Fabriks-Nr.] 2787
Daß Ihr neu erworbener Flügel die gerade folgende Nummer 278[8] [MIR1119] trägt, ist ja ein unglaublicher Zufall. Umso besser kann man die Konstruktion der beiden Instrumente vergleichen. Sowohl bei 2616 als 2787 sind im Baß sieben doppelte und zwei dreifache messingumsponnene Saitenchöre angeordnet. 2787 hat drei Pedale: Dämpfung, Piano (Filzleiste), Verschiebung. Die Länge messe ich mit 245 cm. Umfang C1 bis g4, Pyramidenmahagoni. Dei Flügel 1) 4) und 5) stehen wieder in der Ausstellung. 2) ist recht unansehnlich, 3) war Herrn Sobolak's letzte Restaurierarbeit, die er nicht mehr vollenden konnte; das Klavier ist bis heute unbesaitet geblieben!
Nun habe ich, lieber Herr Doktor, wohl alle Ihre Fragen beantwortet. Selbstverständlich bin ich bereit zu weiteren Auskünften, die Sie vielleicht brauchen könnten! Die Gesellschaft der Musikfreunde ist natürlich auch mit der Mitteilung der Details über das Shudi-Broadwood-Cembalo einverstanden. Wenn Sie allerdings eine ganz genaue Kopie davon anfertigen wollen, so wird es sich doch empfehlen, wenn Sie ein paar Zeilen darüber am Frau Dr. KRAUS, Archivdirektor der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien I. Bösendorferstr. 12, schreiben würden. Allerdings dürften Ihnen, wenn Sie eine solche genaue Kopie herstellen wollten, meine Angaben nicht genügen können. Für genaue Maße usw. müßte dann doch ein Fachmann, etwa einer Ihrer Klaviermacherfreunde in Wien, eintreten, wenn Sie nicht selbst oder Herr MÄNDLER den Anlaß nehmen wollen, nach Wien zu kommen?
Zur Einladung zu einem solchen Besuch sende ich Ihnen eine Aufnahme aus unseren neueröffneten Sälen: es ist ein Blick auf das Mittelarrangement im Saal der Zupfinstrumente mit der farbenprächtigen Tapisserie eines Gastmahls mit Tafelmusik. Nehmen Sie das Bild als einen herzlichen Gruß. Für heute bin ich, sehr verehrter Herr Doktor, mit allen guten Wünschen und Empfehlungen // Ihr stets ergebener // [handschriftlich] Victor Luithlen
Beilage: 1 Photographie // 1 Skizze".