NL Rück, I, C-970e

"Sehr verehrter, lieber Herr Doktor!

Ueber Ihren Brief habe ich mich herzlich gefreut! Ich bin sehr froh, aus Ihren Zeilen zu sehen, dass es Ihnen gut geht, dass Ihr Haus in der Jahnstrasse nun schon bald wiederaufgebaut sein kann, so dass Sie dort einziehen können, und dass Ihre Sammlung bei Professor Steglich in der Erlanger Universität in der denkbar besten Hut ist! Seinen Artikel 'Vom Klang der Zeiten' habe ich, wie Sie sich denken können, mit dem allergrößten Interesse gelesen. Wie könnte man besser und richtiger von unseren alten Klavieren und von der Wiedererweckung ihrer Klänge sprechen! Bitte, wollen Sie, Herr Doktor, Herrn Professor Steglich meine herzlichen Grüsse sagen!

Auch ich arbeite natürlich mit aller Kraft am Wiederaufbau unserer Sammlung. Der prachtvolle Riesensaal in der Neuen Burg (er ist 39 m lang), der mir als Ausstellungsraum zugewiesen ist, wird heuer sich noch viel schöner präsentieren als im vergangenen Jahr. Er wird neu gemalt, zu den Instrumenten passende Gemälde und Gobelins werden aufgemacht, und ich will im Laufe der Zeit neben den Klavieren auch Beispiele aus anderen Instrumentengruppen der Ausstellung beifügen. Die ausgestellten Klaviere sind schon wieder in guter Ordnung; das Haydn-Cembalo, die Walter-Flügel, die Flügel Hofmann, Rosenberger, Stein, Graf klingen so schön wie immer. Die (allerdings verhältnismäßig kleinen) Arbeiten kann ich durch einen jungen, sehr netten und interessierten Klaviermacher durchführen lassen. Es ist damit ein Anfang gemacht, die Restauratorfrage aber durchaus noch nicht gelöst.

Von Johann Jakob Könnicke (auch Könige geschrieben) kann ich Ihnen eine ganze Menge mitteilen: 1798 erscheint er als 'in der Alserstrasse 48' wohnhaft. Nach 'Inventur und Schätzung' seiner Verlassenschaft ist er am 30. Dezember 1811 als 'bürg. Clavier-Instrumentenmacher' 'in der Alservorstadt No. 51' verstorben. Der Hammerflügel unserer Sammlung ist aus Nussholz gefertigt, zeigt Bronzeauflagen, 4 vierkantige zugespitzte Beine, Wiener Mechanik, eine eiserne Stimmstockspreize; Umfang F1 bis f4. Untertasten Ochsenbein, Obertasten schwarz, 4 Kniehebel, (Piano, Dämpfung, Verschiebung, Fagott). Oberhalb der Klaviatur ein länglich-ovales Porzellanschild mit der Inschrift: 'Joh: Jacob Könnicke/Bürg: Instrumentenmacher./in Wien.' Wir haben den Flügel instrumententechnisch durchgreifend repariert; er ist recht gut geworden, zählt aber nicht zu unseren hervorragenden Stücken. Wegen des grossen Umfangs habe ich das Instrument um 1810 eingereiht. Was ist Ihre Meinung? Eine Photographie Ihres Flügels würde mich gewiss interessieren.

In der Sache der Hammerflügel Erard und Graf kann ich, lieber Herr Doktor, an meine Vorgesetzten, glaube ich, nicht mehr herantreten. Bitte seien Sie mir deshalb nicht böse! Ihre Frage wegen fehlender Bücher habe ich auch durchaus nicht ausser Acht gelassen; wenn sich etwas in Betracht Kommendes zeigt, werde ich gewiss an Sie denken. Aber man muss wohl auf Gelegenheiten warten; ich selbst habe ja, wie Sie wissen, auch alle meine privaten Musikbücher verloren und bisher fast gar nichts ersetzen können. [Kreuz mit rotem Stift] Auch dem Barytonforscher Herrn Dipl. Ing. Stieber werde ich gerne behilflich sein. Ich könnte ihm vor allem Beschreibungen der drei Barytone geben, die wir in der Sammlung alter Musikinstrumente verwahren. Es sind dies: Baryton von Simon Schödler, 1782 (abgebildet im Schlosser Katalog, Tafel XIX), von Daniel Achatius Stadelman, Wien, 1732, Leihgabe der Gesellschaft der Musikfreunde; der Ueberlieferung nach aus dem Besitze Haydns. Abb. in meinem Katalog 'Saiteninstrumente' Tafel VII, auch im Zusatzband Geschichte der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1912) und von Magnus Feldlen, Wien, 1656 (ebenfalls Ges. der Musikfreunde). Bezüglich Literatur würde Herr Dipl. Ing. Stieber wohl am besten im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde (Direktor Dr. Hedwig Kraus, I. Bösendorferstrasse 12) und bei der Musiksammlung der österreichischen Nationalbibliothek (Direktor Prof. Dr. Leopold Nowak, I. Augustinerbastei 6) direkt anfragen. [Kreuz mit rotem Stift]

Frau [Anna] Demel lässt Ihre Grüsse herzlich erwidern! Es geht allen drei Damen gut, die Schäden sind wieder repariert, und es sieht bei Demel aus, wie immer. Herr Kommerzialrat [Josef] Siller ist, wie die Erkundigung mich gelehrt hat, nun Mitbesitzer des Hotel Sacher; ich habe Ihn dort telephonisch erreicht, Ihre Grüsse ausgerichtet und Ihre Adresse angegeben. Er hat sich ausserordentlich gefreut und wird Ihnen baldigst selbst Nachricht geben!

Nehmen Sie nun, sehr geehrter Herr Doktor, für diesmal alle meine herzlichen Grüsse und lassen Sie uns recht bald wieder hören, wie es Ihnen und Ihren Instrumenten geht!

Ihr aufrichtig ergebener [handschriftlich] Victor Luithlen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1948,03,04
Schreibort
Wien
Erwähnte Objekte
Cembalo zweimanualig
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Baryton
Streichinstrumente
Baryton
Streichinstrumente