NL Rück, I, C-970e

Brief ohne Datum; Datierung zwischen 14. und 17. April 1950.

"Sehr geehrter, lieber Herr Doktor,

vielen herzlichen Dank für Ihren liebenswürdigen und inhaltsreichen Brief vom 14. April, den ich gestern erhielt. Ich freue mich sehr, daß es Ihnen nun wieder gesundheitlich gut geht und wünsche Ihnen von Herzen die beste Erholung von den letzten Nachwehen!

Die Zeit, die mir heute durch die Absage einer zur Führung angemeldeten Gruppe unversehens in den Schoß fällt, will ich nun gleich benützen, um Ihnen zu danken und zu antworten. Ich bin ja, wie Sie wissen, allein in der Sammlung und muß wissenschaftlich, administrativ, ausstellungstechnisch, ausstellungsmäßig alles allein besorgen. Von dem ganzen seinerzeitigen Personal ist nur ein Aufseher geblieben. Die Schreibkraft muß ich mit der Waffensammlung teilen, und daher so manches selbst schreiben, wie diesen Brief. Die Sammlung liegt mir mehr am Herzen als alles Andere, wie Sie ja wissen, wenn dann noch allerhand Agenden kommen, die außerhalb des Sammlungskreises liegen, dann wird es oft ein bi[ß]chen viel. Neulich war ich kurz in Salzburg, besuchte Herrn Heidl, und natürlich haben wir viel von Ihnen gesprochen!

Im allgemeinen Interesse bemühe ich mich, den Ankauf eines Cembalos für staatliche Zwecke zu propagieren. Deshalb habe ich auch, und habe Ihnen nun für die detaillierten Vorschläge sehr zu danken! Natürlich weiß ich, daß Maendler das Beste und Solideste ist, und es ist rührend von Ihnen, daß Sie gewiß auf das Freundschaftlichste kalkuliert haben. Aber das Resultat ist ja, leider, entmutigend, da wir die Preise ja für uns mit 6 oder 7 multiplizieren müssen. Es kommen phantastische Summen heraus!

So blicke ich mit wenig Hoffnung auf diese Sache. Bei uns herrscht strenge Sparsamkeit. Auch kleine Ausgaben muss man tunlichst vermeiden, um das Budget für unbedingt nötige grössere Dinge zusammenzuhalten, für Ankäufe, die im Sammlungsinteresse gemacht werden müssen und für notwendige Reparaturen. Bei den Reparaturen stoßen wir sofort wieder auf das Restauratorenproblem. Ich danke Ihnen für die Bereitwilligkeit, uns Herrn Scholz einmal zu schicken. Zunächst würde ich freilich wünschen, Sie selbst einmal hier in Wien zu sehen, um die Probleme mit Ihnen durchzusprechen. Wenn gar keine andere Lösungen möglich sind, könnte man ja vielleicht einmal an eine Reise für Herrn Scholz denken, freilich nicht für das Ammer-Cembalo allein, sondern für eine Überholung von einer Reihe von Klavierinstrumenten. Vielleicht schliesst sich Dr. FIALA an, so dass die Kosten der Reise sich für uns reduzieren. Wohnen könnte er gratis im Museum. Aber das ist alles Zukunftsmusik, und auch nur eine Notlösung, da wir ohne eine ständige Kraft hier einfach nicht auskommen können.

Die Photos werden, sobald das Papier hier eintrifft, gleich in Angriff genommen werden. Ich werde die Leiterin des photograph. Ateliers wunschgemäss von der erforderlichen Behandlung des Papiers unterrichten. -Die Bücher, von denen Sie freundlichst Kopien anbieten, besitzen wir hier zum Grossteil.

Herrn Winternitz haben die Herren unseres Museums, die unsere Ausstellung in New York arrangiert haben, kennen gelernt, und mir von ihm Grüsse gebracht. Persönlich habe ich aber noch keine Verbindung mit ihm. ich wäre freilich begierig, auch einmal mit nach Amerika zu fahren, denn die Sammlung des Metropolitan Museums ist ja anscheinend ungeheuer groß, und in Washington haben unsere Herren auch eine Reihe von bemerkenswerten Stücken gesehen.

Zu Demel komme ich selten, weil die dortigen wirklich herrlichen Sachen für mich zu teuer geworden sind. Leider! Herr Komm.rat Siller ist, wie ein Anruf im Hotel Sacher lehrt, wirklich im September 1948 verstorben. Seine Frau lebt aber noch im Hotel Sacher. Vielleicht schreiben Sie also direkt an diese Adresse? So mancher und so manches schwand dahin im Lauf dieser Jahre! Der Heimgang meines Vaters und damit der Verlust eines Heims hat mich 1945 schwer getroffen. In den ersten beiden Jahren, als ich in Ischl meinen Dienst zu tun hatte, war dies nicht so fühlbar, wie nun, seitdem ich wieder in Wien bin und ein Untermieterdasein führe. Allerdings wohne ich schön, aber viel zu teuer!

Ihrem Briefe lag auch eine doppelte Abschrift von Fritz Bose: 'Vergleichende Musikwissenschaft heute' bei. Gehört das eigentlich für mich oder ist das irrtümlich an mich gelangt? ich bin gerne bereit, es weiter zu senden. Ich habe es aber jedenfalls mit Interesse gelesen!

Daß Sie unseren Stein-Flügel von 1819 noch nicht kennen, überrascht mich. Wir haben ihn 1943 angekauft, Sobolak hat ihn auf das Schönste hergestellt und er war einer unserer musikalisch hervorragendsten Stücke. Letzter Beethoven, aber auch noch Sachen wie Abegg-Variationen klingen reizend! Seit einiger zeit klappert manchmal etwas in der Mechanik, das wurde schon abgestellt, kam aber wieder. Ich werde Ihnen bei nächster Gelegenheit ein Photo des Flügels senden.

Für die Nachricht einer Anzahl historischer und neuer Musikinstrumente herzlichen Dank!

Nun ist das Wesentliche wohl gesagt; auch dies ist ein langer Brief geworden. Lassen Sie mich Ihnen nochmals meine Freude ausdrücken über Ihre Auszeichnung durch den Erlanger Doctor phil., es ist wirklich eine schöne Anerkennung all Ihrer idealen Bestrebungen und all Ihres Interesses für unsere Wissenschaft und unsere Sammlungen! Nehmen Sie, sehr verehrter, Lieber herr Doktor Rück, meine herzlichsten Grüsse und Empfehlungen!

Ihr stets ergebener // [handschriftlich] Luithlen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1950,04,16
Schreibort
Wien
Erwähnte Objekte
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Erbauer(in) Musikinstrument(e)
erwähnt im Zusammenhang
Erbauer(in) Musikinstrument(e)
Literaturreferenz
Bose 1949a