"Sehr geehrter, lieber Herr Dr. Rück!
Wie oft und wie herzlich denke ich Ihrer und wie lange schon möchte ich Ihnen einen langen und ausführlichen Brief schreiben! Aber immer sind es die Erfordernisse des Tages, die sich in den Vordergrund schieben, und zuerst behandelt werden wollen. Ich bin ja auch ganz allein in der Sammlung, und habe rundherum einfach für alles zu sorgen. Niemand wird so gut verstehen, wie Sie, was das bedeutet!
In der vergangenen Woche musste ich mich mit fiebriger Erkältung ins Bett legen; nahm mir vor, sobald ich wieder kriechen können würde, Ihnen gleich zu schreiben! Das tue ich nun auch. Es ist schon besser, und ich würde nächster Tage ausgehen, wenn wir nicht grässliche Kälte und den Wiener Steppen-Ostwind hätten. Ein fürchterliches Klima, das den Bewohnern jedes Jahr Grippe auferlegt. Man nimmt das hin, als Selbstverständlichkeit. In Ischl denkt man nicht daran, sich zu erkälten!
Nun aber zu meinem Brief: Zu allererst alle guten Wünsche zum Neuen Jahr und viel herzlichen Dank für Ihre Grüsse! Hoffentlich bringt uns 1950 ein Wiedersehen: es wäre wahrhaftig genug zu erzählen und zu besprechen. Besonders ist es ja immer wieder das Restauratorenproblem, das mir Sorge macht, und das unbedingt bald gelöst sein muss. Bei dem jetzigen eingeschränkten Betrieb ist es schon sehr unangenehm, auf den Klaviermacher von aussen angewiesen zu sein, der warten lässt, wenn es ihm passt und wenn man ihn am Nötigsten braucht. Dies und jenes Klavier ist wegen plötzlicher Kälte aus der Stimmung geraten, eine wichtige Führung ist angesagt, und man ist hilflos dem guten Willen anderer ausgeliefert. Wenn erst ein Konzertbetrieb, wie wir ihn früher hatten, wieder anfangen soll, ist ein Hausrestaurator ganz unentbehrlich. Dabei interessiert sich von den Klaviermachern einfach niemand in dem Masse liebend für die alten Stücke, wie es eben notwendig wäre. Es gibt auch keine wirklichen Cembalisachverständigen, vor allem allerdings überhaupt viel zu wenig Cembali. Unser Ammer hat irgendwie gelitten (ohne beschädigt zu sein), es gelingt uns nicht, das Instrument in klaglose Ordnung zu bringen. Gottlob sind die Flügel Haydn-Cembalo, Walter, Rosenberger, Hofmann, Graf, Schweighofer usw. alle sehr brav und brauchen ausser Stimmung wirklich gar nichts. Stein 1819 hat Mucken in der Mechanik, das müssten Sie sich unbedingt anschauen, klingt sonst prachtvoll.
Nun zum Triumphzug Kaiser Maximilians I. Ich habe 17 Blätter mit Musikinstrumentendarstellungen ausgesucht, darunter selbstverständlich auch die 'Musica Lauten vnd Rybeben', die 'Musica süess Meledey', die 'Musica Canterey' und die 'Natürlich Narren' mit Einhandflöte und Maultrommel. Ich glaube, dass diese 17 Blätter alle Darstellungen von Musikinstrumenten umfassen, die im 'Triumphzug' enthalten sind. Diese Blätter wollen wir also photographieren lassen. Nun hatten wir ja eigentlich immer das Kupferdruckpapier erwartet, das unser Photoatelier vor Beginn der Aufnahmen gerne in Händen gehabt hätte. Ihre Karte vom 4. Januar beweist mir, dass wir richtig gehandelt haben. Mit Kopien auf gewöhnlichem Papier könnten wir natürlich sofort anfangen. 'Also': sobald das gewünschte und angekündigte Papier eingetroffen ist, werden die Aufnahmen sofort gemacht, kopiert und eilends an Sie übersendet!
Sehr herzlich möchte ich Ihnen für die freundlichst übersandte Abschrift von Kinskys Artikel über 'Beethoven und das Hammerklavier' [Kinsky 1949] danken, den ich natürlich mit viel Interesse gelesen habe! Frimmels Aufsatz in der 'Musik' (2. Jahrg., 1903, Heft 14) behandelt sehr genau die erhaltenen Beethoven-Flügel Erard, Broadwood und Graf [Frimmel 1903]. Ich besitze selbst nur eine Abschrift des ziemlich umfangreichen Aufsatzes; ich will sie Ihnen gerne abschreiben lassen, aber haben Sie nicht die 'Musik' in Erlangen viel bequemer an der Hand?
Seit 1. Januar haben wir einen neuen Generaldirektor, Ministerialrat Dr. Wisoko. Zwei unserer Direktoren sind wieder in Amerika, um unsere grosse Ausstellung dort von Washington nach New York zu übersiedeln. In Washington waren über 750.000 Besucher! Ich selbst bin diesen Winter, wie Sie sehen, im Gegensatz zum reisereichen vergangenen Winter, die ganze Zeit in Wien. Zuerst war ich froh darüber, in den Reisen eine Pause und Zeit für die Sammlung zu haben, aber eigentlich bin ich hier ja mehr beschäftigt, als es mir vielleicht gut tut.
Es freut mich, lieber Herr Dr. Rück, dass Sie gesundheitlich wohlauf sind! Nochmals alle guten Wünsche für Ihren Wiederaufbau und Ihre Reisepläne und viel herzliche Grüsse!
Ihr stets ergebener // [handschriftlich] Victor Luitlen".