"Lieber Herr Dr. Luithlen!
Ich nehme an, dass Sie inzwischen gut aus Schweden wieder in Ihr geliebtes Wien zurückgekehrt sind und dort belangreiche Anregungen erfahren konnten. Es würde mich natürlich sehr interessieren, was Sie dort alles erlebten und auf instrumentenkundlichem Gebiet sehen und hören konnten.
Vor mir liegt eine Anfrage von Dr. Ernst Emsheimer, dem neuen Leiter des Musikhistor [sic] Museums Stockholm, Munkbrogaten 2. Er hat keinerlei Pommern ausser einem Diskantpommer, kein Schnarrwerk, keine Sordune, Krummhörner, Regale, und möchte Nachbildungen dieser seltenen Instrumententypen erwerben. Sordune und Rackette liegen ja bei Ihnen in Wien: aber wer kann sie ev. kopieren und was können solche Kopien kosten? Vielleicht geben Sie mir einmal Ihre Meinung darüber kund, ob überhaupt in Wien ein Holzblasinstrumentenmacher ist, der sich einer solch mühevollen und vielleicht nicht ganz dankbaren Aufgabe unterzieht. Da die Mittel des schwedischen Museums genau wie die meinen nicht hohe sind, erscheint mir die Lösung dieser Frage derzeit auf erhebliche Schwierigkeiten zu stossen.
Es wird Sie interessieren, dass ich seit Spätherbst eine ausgezeichnete Fachkraft gewinnen konnte, Herrn Martin Scholz, den einzigen Schüler des berühmten Restaurators der Berliner Staatssammlung Hartmann. Herr Scholz ist nicht nur persönlich ein sehr netter Mensch und ernster Musiker, sondern auch auf dem Gebiete der Restaurierung alter Hammerklaviere, Cembali und Spinette sehr erfahren. Ich bin sehr glücklich, auf diese Weise wenigstens einen Nachfolger zu haben, falls mein alter Herr Marx, der ja immer noch fleissig für mich arbeitet, einmal nicht mehr für mich tätig sein kann oder will.
Wir sind jetzt auch infolgedessen in der Lage, historisch getreue Restaurierungen für fremde Rechnung vornehmen zu können. Möchte doch endlich einmal die Grenze zwischen Deutschland und Oesterreich für ernst wissenschaftliche Arbeit geöffnet werden. Ich muss immer in Freilassing hören, dass alle möglichen und unmöglichen Leute die Grenze übertreten können und für uns ernste Arbeiter bleibt sie nach wie vor hermetisch verschlossen. Ein bitteres Gefühl, besonders wenn man wie ich nicht mehr zu den Jüngsten zählt.
Ich wohne seit dem 20. Dezember wieder im eigenen Haus Jahnstr. 27, das allerdings zu 2/3 noch Geschäftszwecken dienen muss. Immerhin habe ich ein eigenes Dach über dem Kopf und darüber bin ich sehr glücklich.
Die Sammlung ist nach wie vor in Erlangen unter der Obhut Steglichs. Aber auf die Dauer kann sie dort nicht bleiben, denn da ich keinerlei Vitrinen habe, ruhen alle Instrumententypen, soweit sie nicht Klaviere, Cembali, Klavichorde oder Orgeln sind, in Kisten verpackt und sind deshalb praktisch unzugänglich. Ich muss versuchen, in Nürnberg geeignete Räume freizumachen.
Ich bat Sie seinerzeit um ein Exemplar von Schlosser, Unsere Musikinstrumente [Schlosser 1920], das ich inzwischen bekam. Im Bärenreiter-Verlag sind die Nachdrucke ebenfalls wieder erhältlich. Neu kam heraus eine recht nette Schrift über das Klavichord von Han[n]s Neupert [Neupert 1948]. Falls Sie diese interessiert, können wir vielleicht ein Arrangement treffen. Sie kostet DM 4.50 + Porto und ist recht aufschlussreich. Ausserdem erschien noch eine Schrift über historische Tasteninstrumente von [Josef] Wörsching [Wörsching 1946a], auf die Sie verzichten können, da sie nichts irgendwie Belangreiches bietet und zudem DM 15.- kostet.
Sollte Sie einmal der Weg im Café Siller oder im Hotel Sacher vorbeiführen, bitte ich Sie Herrn Kommerzialrat Siller zu grüssen und es wäre schon sehr nett, wenn er sich einmal aufschwingen könnte, auch ein paar Zeilen mir zukommen zu lassen. Ebenso bitte ich Frau Demel und die Damen zu grüssen.
Wer ist jetzt eigentlich Ihr Chef?
Sollte Sie der Weg bei den Damen Klapsia vorbeiführen, bitte ich auch dort meine Grüsse zu überbringen.
Ohne mehr für heute begrüsse ich Sie selbst aufs beste und damit verbleibe ich
wie immer Ihr".