NL Rück, I, C-0482b

"Sehr verehrter, lieber Herr Doktor,

Aus Ihrem letzten Brief sehe ich, daß Sie ganz in Hitze geraten sind wegen der Bezugstabellen und der Schmöcker.

Um Sie abzukühlen, will ich Ihnen von vorneherein sagen, daß man 1) diese Bezugstabellen nicht zu sehr überschätzen darf, da sie ja nur für Instrumente von ganz bestimmter Größe gültig sind, wobei man noch beachten muß, daß auch bei gleich großen Men Instrumenten die Mensuren nicht immer übereinstimmen.

2) in den von mir genannten Schmöckern auch viel unnützes Zeug steht, das jeder von selbst wissen muß. (Sie sind für Besitzer von Klavieren bestimmt, die sich beim Kaufen und Reparieren der Instrumente selbst helfen wollen).

Somit hat es gar keinen Sinn diese Schmöcker von A bis Z abzuschreiben oder photokopieren zu lassen. Vogler schon von vorneherein nicht, da er - wie ich Ihnen schrieb - Nachersberg ausplünderte und ihn seitenweise fast wörtlich abschrieb.

Lassen Sie sich den Thon und Nachersberg nach Nürnberg kommen und schauen Sie sich diese Bücher genau an. Sie werden dann einen Überblick bekommen über das, was Sie brauchen können.

Überhaupt müssen Sie damit rechnen, daß man über die alten Saitenbezüge nur dann einigermaßen im Klaren sein wird, wenn ich meine vergleichenden Forschungen beendet, und meine Tabellen zusammengestellt habe. Dazu werde ich aber - da ich mit wichtigeren Dingen beschäftigt bin - noch einige Jahre brauchen. Bis dahin aber müssen Sie Geduld haben und mich sehr zart behandeln, damit ich meine Geheimnisse nicht für mich behalte.

Das Buch von André kenne ich. Über den Bau der Klaviere enthält es herzlich wenig, dagegen kenne ich ein Buch das früher erschienen und ausschließlich über die Konstruktion der Klaviere und Hammerflügel handelt. (!) Wie stehe ich da?

An Prof. Norlind brauchen wir nicht schreiben, das die dänische Übersetzung meines neuestens Schlagers in der Universitätsbibl. in Kiel vorhanden ist.

Nun haben Sie Ihre Tabellen:

1) Bezug eines kleinen Kielinstrumentes, von außen lang 5 Schuh 6 Zoll, breit 2 Schuh 7 Zoll (geht von A bis e''').

[Für die Tabelle siehe Digitalisat.]

2) Bezug eines ordinairen Kielinstrumentes (von F bis f'')

[Für die Tabelle siehe Digitalisat.]

3) Bezug eines ordinairen Clavichord (von C bis e''')

[Für die Tabelle siehe Digitalisat.]

Ich bin jetzt auch einer Abhandlung über die Resonanzböden der Saiteninstrumente auf der Spur, aber die verrate ich nur auf meinem Sterbebette.

Hier in Berlin habe ich Zutritt bekommen zu dem Magazin der Staatlichen Musikinstrumenten-Sammlung. Da stehen ca 50 noch nicht restaurierte Klavierinstrumente (darunter 2 Clavichordpedale). In der Hauptsache sind es Cembali und Hammerklaviere. Man hat mich dort eingesperrt und ich habe nach Herzenslust stöbern können.

Ab Dienstag bin ich schon in Stuttgart, von dort fahre ich mit meiner Frau in Erholung und dann nach Basel, um dortige Clavichorde zu besichtigen.

Leben Sie wohl. Herzliche Grüße, auch an Ihren Bruder, Prof Steglich und Dr. Spilling. // Ihr // AKreutz".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1937,08,09
Schreibort
Berlin
Erwähnte Objekte
erwähnt als
Detailinformation(en)
Literaturreferenz
Vogler 1807
Nachersberg 1804
Thon 1817
André 1855