NL Rück, I, C-0482b

"Lieber Herr Doktor,

Herzlichen Dank für Ihre Karte aus Salzburg.

Auf Ihre Anfrage kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben, da mir unbekannt ist, bei wem Walter gelernt hat.

In Neuhausen a/Fildern wird man nichts erfahren könen, da Walter von dort Frühzeitig weggezogen ist, ausserdem gehörte Neuhausen zur Zeit, als Walter dort geboren wurde, gar nicht zu Württemberg. Dieser Ort war damals Reichsritterlich; von 1769 gehörte er dem Bischof von Speyer. An Württemberg kam er erst im 19. Jahrhundert.

Der richtige Weg, das Gewünschte zu erfahren, ist folgender: Man muss das Todesdatum von Walter erfahren und die Wiener Zeitungen nach Nekrologen durchsuchen.

Die Nachrufe bringen meist mehr oder weniger genaue Lebensbeschreibungen, aus denen man wertvolles Material holen kann. Ich selbst habe auf diesem Weg manches Wissenswerte aus der Clavichordbranche herausgefunden.

Wissen Sie übrigens, dass Walter auch für Beethoven arbeitete? Ich habe einen Beethoven-Brief vom Jahre 1802 herausgefunden, aus dem das hervorgeht.

Als Neuigkeit kann ich Ihnen mitteilen, dass ich mit Merzdorf vollständig gebrochen habe: Er entpuppte sich als ein gemeiner Betrüger, der mich insgesamt um über 200 Mark geprellt hat.

Seine letzte Gaunerei war die:

Er engagierte mich für eine Clavichordmusizierst[u]nde seiner Werkstatt in Kassel. Ich verlangte von ihm kein Honorar, sondern nur Reiseunkosten und Transportkosten für das Clavichord. Bei der Verrechnung sagte er mir, dass er leider nicht genügend Geld bei sich habe und versprach mir die restlichen 50 Mark, die ich aus eigener Tasche auslegte, nach Stuttgart zu schicken. Das machte er jedoch nicht und reagierte auch nicht auf meine Briefe. Ausser diesem Geld ist er mir noch Provision für 4 Instrumente, die ich für ihn vermittelte, schuldig.

Nun habe ich ihm brieflich meine Meinung über ihn gründlich gesagt, was mir natürlich nichts hilft.

Was das Superclavichord anbelangt, so haben wir es im Sommer nicht fertigbauen können. Die Diskantlage und die Mittellage waren sehr gut; die Basslage haben wir nicht richtig beziehen können, da sein Saitenmaterial ganz ungeeignet war.

Da er ein kompletter Idiot ist, konnte er nach meiner Abreise die geeignete Besaitung nicht selbständig finden; er wollte mir das Clavichord nach Stuttgart schicken, damit ich es fertigbeziehen soll (!). Er hat noch die Zeichnungen, die ich gemacht habe bei sich. Da ich ihm schon damals nicht ganz traute, habe ich ihm keine Erklärung über die Lage der Rippen gegeben. Ausserdem ist er so blöde, dass er nach Zeichnungen gar nicht arbeiten kann (er hat es bis jetzt noch nie gemacht!). Wenn er eine Zeichnung anschaut, so tut er das mit gleichem Verständnis, wie etwa bei der Betrachtung einer assyrischen Keilschrifttafel.

Leider besitze ich nicht die Menschenkenntnis meiner Frau, die mich schon lange vor diesem Gauner warnte.

In Zukunft werde ich mir meine Clavichorde selbst bauen: Mein Schwiegervater will sie für mich in der Tischlerei seiner Fabrik machen lassen. Für die wenigen Spezialarbeiten würde ich einen Klaviermacher nehmen.

Auf diese Weise werde ich können Instrumente ganz nach meinem Wunsch bauen zu lassen.

Mit herzlichen Grüssen, auch an Ihren Bruder bin ich // Ihr // [handschriftl.] A. Kreutz

P.S. Dr. Spilling, dem ich wegen eines evl. Clavichordabends in Nürnberg geschrieben habe, lässt nichts von sich hören."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1936,11,04
Schreibort
Stuttgart
Erwähnte Objekte
Klavichord
Tasteninstrumente