"Lieber Herr Kreutz!
Ihr Brief hat mein volles Interesse gefunden, nicht weniger aber auch der gute Kuchen, für den ich Ihnen und Ihrer Frau herzlich danke. Ein Teil ist jetzt schon verzehrt und jedesmal denke ich dabei an Sie. Also vielen herzlichen Dank für Ihr so freundliches Gedenken.
Nach dieser kulinarischen Einleitung folgt der musikalische Teil. Es ist mir seit längerer Zeit bekannt, dass Bestrebungen bestanden, das Haus von Klinckerfuss abzubrechen. Ich nahm immer an, dass dabei die Frage akut würde, was er mit seinen Instrumenten wohl anfängt. Ich weiss aus eigener langjähriger Erfahrung, dass es schwer ist, solche Instrumente sachgemäss unterzubringen. Ebenso sorgfältig müssen die Bestände überwacht werden, damit nicht der Holzwurm mit der Zeit alles wertlos macht. Ich besuchte Klinckerfuss vor Jahresfrist, dabei zeigte er mir im 1. Stock einen mit Instrumenten vollgestopften Raum und darin interessierte mich hauptsächlich ein hübscher Flügel von Nanette Streicher und eine [A]ltoboe (Oboe da caccia) Unter uns gesa[g]t, auch diese Instrumente sind nicht so historisch getreu restauriert, wie wir es machen. Aber davon dürfen Sie beileibe nichts verlauten lassen. Ich hätte vielleicht auch sonst noch für das eine oder andere Instrument Interesse.
Des weiteren besitzt er einen Flügel von Erard, Paris [MIR1125], den ich gerne kaufen würde, da er der richtige Chopin-Typ ist. Der Flügel steht im Parterre in einem dumpfen Raum, rechts vom Hauseingang und befand sich vor einem Jahr in keiner schönen Verfassung. Die Motten hatten bereits allerhand zerstört. Wenn nämlich die alten Hämmerfilze vernichtet sind, ist dieser Flügel wohl ziemlich wertlos, denn er stammt aus der Periode der 1. Hammerbefilzung und gerade diese Instrumente sind tonlich äusserst interessant, deren Charakter ihnen aber genommen wird, wenn man sie neu befilzt! Auf diesen Erard-Flügel wäre ich sehr scharf! Aber ob er Ihn verkauft? Er behauptete, dass er aus dem Haus von Chopins Verleger Schlesinger in Paris stammt und dass dort Chopin öfters gespielt habe. Ich frug in Paris an und man teilte mir mit, der Flügel wäre im Jahre 1840 gebaut worden.
Er trägt die Nummer 14832. Wenn Sie dieses Instrument loseisen können für mich, würden Sie ein Meisterstück vollbringen! Abgesehen davon, wenn der Flügel weiterhin nicht gepflegt wird oder wenn er neu befilzt würde, dann ist es um den historischen Charakter geschehen und der Flügel ist dann für unrettbar verloren!
Ihre Mitteilung über da[s] Klavichord ist mir sehr interessant. Eigentlich suche ich ja ein 5-oktaviges, ungebundenes Klavichord, nachdem wir in diesem Artikel ziemlich schwach bestellt sind! Wenn aber dieses 5-oktaviges Instrument so interessant ist, würde ich es erwerben, wenn es nicht teuer ist. Ich würde Sie bitten, in diesem Sinne weiter zu arbeiten. Dieses Instrument und überhaupt die Instrumente in dem Bodenraum habe ich nicht gesehen. Klinckerfuss zeigte mir diese Sachen nicht, mit der Begründung, dass alles im Unstand herumläge. Sie haben recht, der Mann ist sicher nicht leicht zu behandeln, sodass der Umweg über die ordnungsliebende Hausfrau bestimmt der richtige ist.
Ueberdies ist ja seine Sammlung im derzeitigen Zustand kaum zu besichtigen, geschweige denn etwas zu probieren, da ja nur wenige Instrumente in halbwegs reparierte[m] Zustand sind, bei anderen ist die Reparatur nur begonnen.
Er müsste sich nämlich prinzipiell darüber klar werden, ob er etwas verkaufen will. Ich kann aber nicht gut an ihn herantreten, da ich ja offiziell nichts von der Sache weiss. Auf jeden Fall steht das eine fest: Wenn er an uns etwas abgibt, was uns interessiert, kommt es in die richtige pflegliche Behandlung.
Ich stehe allerdings vor der Abreise und werde Mitte dieser Woche nach Ragusa fahren. Ich gedenke, etwa 4-5 Wochen auszubleiben und komme dann wieder zurück. Dann könnte ich die Sachen besichtigen. Sollte Not an Mann gehen, so müssten Sie versuchen, ihn zu bewegen, dass er von dem Teil der Sachen, die er abgibt, ev. bei Schiedmayer einstellt. Im grossen Haus Schiedmayer ist vielleicht doch irgendwo ein Platz verfügbar, wo die Instrumente solange deponiert werden könnten, bis ich wieder zurück bin. Wenn Sie mit Max Schiedmayer reden, lässt sich hier sicher ein Weg finden. Auch unter den - wie Sie schreiben - wurmstichigen Hammerklavieren wäre vielleicht etwas noch verwertbar und für uns zu gebrauchen. Im allgemeinen kann man ja mit Hammerklavieren für Konzertzwecke wenig anfangen, da sie zu schwach im Ton sind, sodass wir diesen Zweig weniger fragten. Immerhin kann es aber darunter interessante Typen geben.
Abschliessend: Wenn der Mann etwas abzugeben gedenkt, bin ich bereit, in Verhandlungen einzutreten. In der Zwischenzeit können wir uns ja schriftlich verständigen. Oder wenn es ganz eilt, könnte ich ev. Mittwoch die Route nach München über Stuttgart nehmen, um die Sachen kurz anzusehen. Dann wäre aber postwendender Bescheid notwendig.
Nach Lage der Sache werden Sie nun beurteilen können, wie Sie alles am besten einfädeln.
Mit herzlichem Dank an Sie und die Gattin // wie immer Ihr".