NL Rück, I, C-970e

"Lieber Herr Doktor!

Ich verhandele mit einem der ersten Cembalisten Deutschlands wegen Anfertigung einer Tschudi-Broadwood-Kopie durch Maendler, wie solche seinerzeit Maendler für das Händel-Haus in Halle gemacht hat.

Nun sind wir uns über eine Sache nicht im klaren: mein Interessent, Herr Professor Neumeyer-Freiburg, möchte möglichst keine Pedale, sondern nur Handzüge.

In dem Führer durch die Sonderschau 'Klaviere aus fünf Jahrhunderten' [Luithlen 1939] ist auf Seite 13 nur von mehreren Registerzügen die Rede und von einem Pedal. Nach der mir vorliegenden Fotografie hat das Instrument aber zwei Pedale. Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verbunden, wenn Sie mir eine genauere Beschreibung recht bald zusenden könnten: 1. welche Funktion das rechte und das linke Pedal haben (ich vermute, das eine öffnet und das andere schliesst die Jalousie), 2. welche Handzüge oder ev. Kniehebel in dem Instrument vorhanden sind und welche Register diese regieren. Herr Professor Neumeyer möchte ein Instrument haben, das dem Klangideal des 18. Jahrhunderts völlig entspricht. Er kennt die durch Maendler seinerzeit angefertigte Kopie, die im Händel-Haus in Halle steht, aber leider uns unerreichbar ist. So bin ich gezwungen, auf Ihre Güte zu bauen.

Gegen die Herstellung einer solchen Kopie, die bei Maendler in den allerbesten Händen ist, werden wohl keine Einwendungen erhoben werden? Immerhin möchte ich auch diesbezüglich Klarheit haben.

Nun eine zweite mich interessierende Frage: in Ihrer Sammlung sind vier [Graf-] Flügel: den letzten, den ich Ihnen käuflich überliess [Inv.-Nr. SAM 593], vermisse ich schmerzlichst! Ich bekam inzwischen meinen Graf aus Schweden. Nun würde mich sehr interessieren, ob Ihre Graf-Flügel im Bass übersponnene Saiten haben, wieviele Basschore, ob mit Messing weit oder eng übersponnen oder ob Ihre Graf-Flügel Messingsaiten im Bass haben. Der aus Schweden gekommene Flügel weist nämlich im Bass 7 übersponnene Saitenchore auf, die mir etwas fragwürdig vorkommen, obwohl sie mit Messing übersponnen sind. Der Flügel ist ja allerdings ein spätes Erzeugnis Grafs, denn er hat die Opus-Nummer 2788. Er steht also in der Fabrikation Ihrem Graf Nr. 2616 [Wien, Nr. 16] nahe oder dem vierten Graf, den ich Ihnen verkaufte. Von letzterem sind mir leider alle technischen Aufnahmedaten verloren gegangen. Ich vermute aber, dass dieser vierte Graf eine noch höhere Nummer hat als der von mir aus Schweden erworbene oder dieser Nummer ziemlich nahe steht wie Ihr Schumann-Flügel. Da mein Flügel nurmehr zwei normale Pedale hat und nach unserer Untersuchung auch nicht mehr Pedale besass, scheint er aus der letzten Fabrikationszeit Grafs zu stammen.

Ueber all dies Ihre Meinung zu hören, wäre mir sehr wertvoll. Mein aus Schweden gekommener Graf ist 234 cm lang, umfasst 6 Oktaven + Quinte (C - g'''') und ist in schlicht Nussbaum ausgeführt, das leider durch einen Murkser überschmiert wurde, sodass wir den Flügel, um ihn wieder schön herzubringen, in der Politur vollkommen abziehen müssen.

Zu Gegendiensten gerne bereit bin ich mit freundlichen Grüssen // wie immer Ihr

 

NB. Hat das Tschudi-Cembalo eine Koppelung der Manuale und wie erfolgt diese? Ferner bäte ich Sie noch um die Breite der Klaviatur in cm unter Angabe des Tastenumfanges. Herr Professor Neumeyer möchte nämlich die Klaviatur in der im 18. Jahrhundert üblichen Breite, also nicht in der modernen Breite. Auch wäre mir erwünscht die Oktavspanne, d.h. die Breite der Tasten von C angefangen bis zum darauffolgenden H der gleichen Oktave. Anhand dieser Angaben können wir dann Herrn Professor Neumeyer informieren. D.O.

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1951,07,16
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
Cembalo zweimanualig
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vorlage(n) Nachbau
Hammerflügel
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
erwähnte Personen
erwähnte Institutionen
Literaturreferenz
Luithlen 1939